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[Rezension] Maggie Stiefvater: Shiver

Deutscher Titel: Nach dem Sommer (Herbst 2010)
The Wolves of Mercy Falls, Book 1

Inhalt:
Im Alter von elf Jahren wird Grace von einem Rudel Wölfe angegriffen und in den Wald gezerrt, doch ein Wolf mit faszinierenden gelben Augen rettet sie vor dem sicher geglaubten Tod. Noch sechs Jahre später kehrt das Tier immer im Winter zum Garten der Familie zurück – sehnsüchtig erwartet von Grace, die sich ihm seltsam verbunden fühlt. Als eines Tages eine Hetzjagd auf die Wölfe stattfindet und Grace einen verletzten Jungen mit gelben Augen auf der Veranda findet, weiß sie mit untrüglicher Sicherheit, dass er »ihr Wolf« ist. Endlich können die beiden zusammensein – doch die Zeit läuft gegen sie, denn Sam hat nur noch diesen einen Winter in Menschengestalt …

Kommentar:
Da mir »Lamento«, der Erstling der Autorin, trotz der Lobeshymnen allerorten nicht besonders gefallen hat, wollte ich ja eigentlich kein Buch mehr von Maggie Stiefvater lesen. Nur weil Holly unbeirrt die Werbefahne für »Shiver« geschwungen hat und mir das Buch im Dezember zufällig für drei Euro in die Hände gefallen ist, hab ich schließlich doch zugeschlagen – zum Glück!

Shiver ist eine melancholische und äußerst gefühlvolle Geschichte über die Liebe zwischen einem Mädchen und einem Werwolfjungen, erzählt in sehr leisen Tönen und dennoch packend von der ersten bis zur letzten Seite.

Vor allem die Idee zu den Werwölfen ist frisch und war meines Wissens so noch nicht da: Ihre Gestalt hängt ab von der Umgebungstemperatur. Im Sommer leben sie als Menschen, im Winter als Wölfe. Je öfter sich ein Werwolf gewandelt hat, desto wärmer muss es sein, um wieder Mensch werden bzw. bleiben zu können; zudem ist die Anzahl der möglichen Gestaltwandlungen begrenzt und das Leben der Werwölfe endet zwangsläufig in Wolfsgestalt.

Genau das ist das Problem von Sam und Grace. Als sie aufeinandertreffen, weiß Sam, dass er zum letzten Mal in menschlicher Gestalt auftritt; seine nächste Verwandlung in einen Wolf wird endgültig sein. Aus diesem Grund ist ihr Zusammensein zu keinem Zeitpunkt unbeschwert, denn obwohl es eine Weile möglich ist, Sam vor der Kälte zu bewahren und einigermaßen warmzuhalten, damit er sich nicht verwandelt, wissen sie beide, dass das nicht dauerhaft möglich sein wird und ihre Zeit limitiert ist. Die beiden versuchen über weite Strecken, diese Tatsache auszublenden und bemühen sich, die kurze Zeit, die ihnen bleibt, zu nutzen so gut es geht, doch die Angst vor dem Verlust hängt zu jeder Zeit wie ein Damoklesschwert über ihnen. Umso intensiver erleben sie jeden Moment, den sie miteinander verbringen – ob in einem goldfarbenen Herbstwald, beim Lesen von Gedichten oder in einem Süßwarenladen.

Passend zur ruhigen Geschichte sind die beiden Hauptfiguren eher ernst und verschlossen, dabei aber sehr authentisch und sympathisch. Grace, deren Leben nach der Attacke sehr auf die Wölfe fixiert ist, verkriecht sich gerne mit ihren Büchern und erledigt den Haushalt, weil ihre Eltern sich weder darum noch um sie kümmern. Sam, der bereits als Kind gebissen wurde, hat als junger Werwolf einen Mordversuch seiner Eltern überlebt, die ihn für ein Monster hielten. Im Werwolf Beck und dem Rudel hat er zwar eine Ersatzfamilie gefunden, ein Trauma ist ihm aber geblieben. Im Gegensatz zur eher sachlichen Grace ist Sam der musische Mensch, für den Musik und Poesie ein wichtiger Teil des Lebens ist. Der Umgang zwischen Grace und Sam ist geprägt von großer Zärtlichkeit, stillschweigendem Verständnis und selbstloser Fürsorge; ihre körperliche Beziehung ist ebenfalls sehr liebevoll, und es sind die kleinen Gesten zwischen den beiden, die das Buch so besonders machen.

Dass ihre körperliche Beziehung über weite Strecken zudem relativ keusch ist, ist allerdings einer von zwei Punkten, die nur bedingt glaubwürdig sind: Grace und Sam sind siebzehn bzw. achtzehn Jahre und halten lange Zeit nur Händchen und tauschen zarte Küsse, obwohl sie ständig zusammen sind und sogar miteinander in einem Bett schlafen. Jugendfantasy hin oder her – das erscheint ziemlich realitätsfern. Ebenso schwer zu glauben fällt die Tatsache, dass Sam über einen längeren Zeitraum bei Grace im Haus leben und in ihrem Zimmer schlafen kann – und zwar vollkommen unbemerkt von Graces Eltern. Das ist mit der mangelnden Fürsorge und Egozentrik der Eltern nicht plausibel zu erklären. Angesichts der Stärken des Buches fallen diese beiden Punkte allerdings nicht wirklich ins Gewicht.

Fazit:
15/15 – Eines der besten und berührendsten Bücher, die ich in letzter Zeit gelesen habe – einfach wunderschön.

[Rezension] Jenna Black: Dämonenkuss

Originaltitel: The Devil Inside
1. Teil der Morgan-Kingsley-Serie

Inhalt:
Manche Menschen haben einen Beruf – andere eine Berufung. So ist es bei Morgan Kingsley, die zu den besten Exorzistinnen des Landes gehört: Sie liebt ihren Job, weil sie Dämonen hasst. Doch dann wird Morgan zum Opfer einer finsteren Verschwörung und muss alles, was sie bisher für gut und böse gehalten hat, noch einmal überdenken. Und zwar schnell, denn sie schwebt in tödlicher Gefahrt – und nur ein Dämon scheint sie retten zu können …

Kommentar:
Die Dämonen sind unter uns – und wenn es ganz dumm läuft, sogar in uns! Zumindest in Jenna Blacks Universum, in dem sich Menschen freiwillig als Wirt für einen Dämon zur Verfügung stellen, etwa um deren besonderen Fähigkeiten nutzen zu können und sich als Held feiern zu lassen. Daneben gibt es aber auch illegale Dämonen, solche, die unerlaubt Besitz von einem Menschen ergreifen. Diese gilt es ausfindig zu machen und auszutreiben, und dafür ist Morgan Kingsley zuständig. Dumm nur, dass ausgerechnet der Exorzistin selbst aus Gründen, die im Laufe der Handlung aufgedeckt werden, gegen ihren Willen und zunächst unbemerkt ein mächtiger Dämon aufgezwungen wurde, den sie nun unbedingt loswerden muss. Unglücklicherweise braucht sie dazu die Hilfe des Polizisten Adam, zu dem sie ein ziemlich angespanntes Verhältnis hat, weil er nämlich selbst einer der ihr verhassten Dämonen ist.

Diese Konstellation birgt Spannung, und die Geschichte an sich inklusive des doch ziemlich überraschenden Endes ist auch wirklich gut, die Umsetzung lässt allerdings zu wünschen übrig. Das liegt vor allen an der Protagonistin Morgan, die sich zugegebenermaßen in einer nicht ganz einfachen Situation befindet, aber deshalb trotzdem nicht dermaßen bescheuerte Handlungsweisen an den Tag legen müsste. Sie ist trotzig, unüberlegt, impulsiv, dabei fürchterlich spießig und vorurteilsbehaftet und – nicht zu vergessen – dauergeil. Sex hat sie zwar nur mit ihrem Freund, den sie über alles liebt, sie ist aber dennoch ständig heiß auf irgendwelche sexy Dämonen – und das, obwohl sie sie doch so hasst. Apropos Sex, Morgan hat arge Probleme mit SM-Sex im Allgemeinen und der SM-Beziehung zwischen Polizist Adam und seinem Freund im Speziellen und wird nicht müde, die »widerliche Neigung« (S. 234) zu verurteilen; seltsamerweise machen sie aber allein die belauschten Geräusche der Auspeitschspiele der beiden so heiß, dass sie sich selbstbefriedigt. Unglaubwürdig auch, dass der ach so gestandenen Exorzistin ständig Tränen in die Augen steigen, nicht nachvollziehbar ihr Schuldbewusstsein in Bezug auf den Tod einer Verräterin, unfassbar ihre Dummheit, das Handy einer Toten zu benutzen, noch viel bekloppter ihr Verrat an Adam, mit dem sie sich im Wesentlichen selbst schadet. Kurz gesagt: Morgan ist eine Heldin, wie man sie eigentlich nicht braucht – da hilft es auch nichts, dass sie den Leser immer wieder mal anspricht, um ihn ins Geschehen zu involvieren (was ich ohnehin nicht leiden kann).

Umso interessanter und faszinierender sind allerdings die Dämonen und Ex-Dämonen, die sehr viel besonnener und weitsichtiger handeln als die Vorzeige-Exorzistin selbst, sodass die Grenzen zwischen Gut und Böse bzw. Richtig und Falsch verschwimmen. Die Erklärungen, wie Dämonen ticken und warum Adam eigentlich »kein herkömmlicher Sadist im menschlichen Sinne« (S. 264) ist, obwohl er doch so gern die Peitsche schwingt, hat sich zwar wahrscheinlich nicht mal der Autorin plausibel erschlossen, spielt aber auch keine große Rolle, wenn man nicht den Drang hat, Entschuldigungen für SM-Neigungen zu finden.

Für Zartbesaitete ist das Buch definitiv nichts, denn Sex und Gewalt sind wesentliche Elemente in Jenna Blacks Welt: Es gibt neben (SM-)Sex, der übrigens in keinster Weise erotisch beschrieben wird, u.a. Folterszenen sowie Hinrichtungen – und geht zum Teil ganz schön zur Sache. Alles ist ein wenig dick aufgetragen und überreizt, aber wäre die Hauptfigur nicht so eine schreckliche Nervensäge, hätte »Dämonenkuss« trotzdem ein gutes Buch werden können.

Fazit:
7/15 – Trotz sehr guter Ansätze und eines interessanten Settings ein alles in allem nur durchschnittliches Buch – was vor allem an der befremdlichen Protagonistin liegt. Das überraschende Ende hat mich dennoch neugierig auf Band 2 gemacht, der im März unter dem Titel »Dämonenjagd« erscheint.

[Rezension] Richelle Mead: Succubus Blues

Originaltitel: Succubus Blues
1. Teil der Georgina-Kincaid-Serie

Inhalt:
Wenn man schon für die Hölle arbeiten muss, erscheint der Job als Sukkubus verdammt großartig. Eine Frau kann alles sein, was sie möchte, ihre Klamotten sind einfach umwerfend und sterbliche Männer liegen ihr zu Füßen. Zugegeben, sie bezahlen oft mit ihrer Seele dafür – aber warum sich mit dem Kleingedruckten aufhalten? Allerdings ist das Leben der Georgina Kincaid, Sukkubus in Seattle, weitaus weniger exotisch. Ihr Boss ist ein Dämon aus dem mittleren Management mit einer Schwäche für John-Cusack-Filme. Ihre besten Freunde, alles Unsterbliche, ziehen sie nach wie vor damit auf, dass sie sich in eine Dämonengöttin verwandelt hat, so mit allem Drum und Dran: aufreizendes Outfit, Peitsche und Flügel. Und sie kann sich einfach nicht mit jemandem treffen, ohne ihm einen Teil seiner Lebensenergie auszusaugen. Bleibt wenigstens noch ihr Alltagsjob in der örtlichen Buchhandlung – also kostenlos Bücher, so viel sie lesen möchte, kostenlos White Chocolate Mocha, so viel sie trinken möchte, und leichten Zugang zum Bestsellerautor Seth Mortensen alias »Er-Den-Sie-Um-Jeden-Preis-Haben-Möchte« …

Kommentar:
Obwohl der Klappentext ein bisschen nach paranormalem Liebesroman klingt, hat man es eher mit klassischer Urban Fantasy mit Krimi- und Liebesroman-Elementen und einer gehörigen Portion Humor zu tun. Das Setting ist ziemlich interessant: Das Buch spielt im modernen Seattle, wo alle möglichen übernatürlichen Gestalten unerkannt neben Menschen leben. Man begegnet neben der Hauptperson Georgina, die ein Sukkubus ist, Kobolden, Vampiren, Engeln und Dämonen, die eine illustre, aber faszinierende Gesellschaft bilden. Sie alle sehen sich mit unheimlichen Übergriffen und Morden an Unsterblichen verschiedener Rassen konfroniert, mit deren Aufklärung sie sich befassen.

Leider klingt das spannender als es anfänglich ist, denn die Mörderhatz plätschert zunächst eher im Hintergrund vor sich hin, während Georginas verkorkstes Liebesleben im Vordergrund steht. Sie lernt nämlich zwei sehr interessante Männer kennen, den Dozenten Roman und den Schriftsteller Seth, die unterschiedlicher nicht sein könnten, sie aber beide gleichermaßen fesseln. Da sie eigentlich ein netter Sukkubus ist, will sie mit keinem von beiden etwas anfangen, denn damit würde sie – gemäß ihres Wesens – die Männer in Lebensgefahr bringen. Dieser innere Konflikt nimmt zunächst weite Teile der Handlung ein und ist ein wenig ermüdend; in der zweiten Hälfte nimmt die Handlung dann aber deutlich an Fahrt auf und an Spannung zu: Die Suche nach dem Mörder wird vorangetrieben und auch hinsichtlich der beiden Männer tut sich einiges – zum Teil durchaus Überraschendes. Die Auflösung lässt interessante Möglichkeiten für die Fortsetzungen offen, das Motiv für die Morde ist allerdings nicht wirklich überzeugend.

Die Figuren zeigen gute Ansätze, sind aber aber alles in allem etwas flach geraten. Vor allem Georginas unsterblichen Freunden hätte ein wenig mehr Profil gut getan; einzig der Engel Carter und ansatzweise auch der Kobold Hugh stechen positiv heraus und bleiben im Gedächtnis. Die beiden Männer Roman und Seth sind besser ausgearbeitet, aber auch nicht richtig durchschlagend; als Objekt der Begierde wirken sie auf mich wenig attraktiv – vor allem der zerstreute Seth ist mir zu sehr der Typ »lieber Langweiler«. Georgina selbst ist eine gute Figur mit vielen Facetten, leider kommt ihr sukkubisches Wesen nur ansatzweise heraus und hätte deutlicher ausgearbeitet werden müssen. Sie wirkt zudem ein wenig zu warmherzig, nett und rücksichtsvoll für ein derartiges Wesen, auch wenn die Gründe dafür einigermaßen plausibel erklärt sind; für mich ist das dennoch nicht ganz stimmig.

Aber nicht nur bezüglich der Figuren gibt es Schwächen; man merkt dem Buch auch darüber hinaus an, dass es ein Erstlingswerk ist – es erscheint an vielen Stellen einfach nicht ganz ausgereift. Es gibt viele halbgare Dialoge, Gedankensprünge und eine Vielzahl vollkommen überflüssiger Szenen, die aneinander gereiht wirken und die Handlung einfach nur in die Länge ziehen. Das alles wäre aber zu verkraften, wäre da nicht …

… die grauenvolle deutsche Edition des Buches! Irritierend für Auge und Verstand ist schon die Entscheidung des Verlages, französische Anführungszeichen nicht – wie in Deutschland üblich – in deutscher Anwendung (»Beispiel«), sondern in französischer Anwendung («Beispiel») zu benutzen, was beim Lesen zu einiger Verwirrung führt. Das ist allerdings nur eine Kleinigkeit angesichts der weiteren Verbrechen, die hier von Übersetzer und Lektorat bzw. Korrektorat (falls überhaupt vorhanden) begangen wurden, denn dieses Buch zählt zu den fehlerhaftesten Ausgaben, die mir je in die Hände gefallen sind. Der Text liest sich nicht nur äußerst holprig, sondern ist darüber hinaus auch von unzähligen Tipp-, Rechtschreib-, Grammatik- und Satzfehlern durchzogen. Doch damit nicht genug: vielfach fehlen Wörter und ganze Satzteile, immer wieder werden Begriffe unpassend übersetzt und Wendungen einfach blind ins Deutsche übertragen. Dadurch wird immer wieder der Lesefluss gehemmt und der Spaß an der Geschichte sinkt rapide. Ich rate jedem, der des Englischen einigermaßen mächtig ist und sich für das Buch interessiert, zum Original zu greifen und die Finger von der deutschen Ausgabe zu lassen – denn die ist wirklich eine Zumutung, zumal für den Preis von 12,95 Euro.

Fazit:
7/15 – Eine interessante Geschichte mit guten Ansätzen und einer faszinierenden Hintergrundidee, die aber – zumindest zum Teil – noch ganz schön unausgereift wirkt und vor allem anfangs schwer in die Gänge kommt. Sehr wahrscheinlich hätte ich die Originalausgabe etwas besser bewertet; da ich aber nur beurteilen kann, was ich gelesen habe und keinen Grund sehe, die Sprache als Werkzeug des Autors vom Text zu trennen, fließt natürlich die schlechte Übersetzung in die Gesamtwertung ein. So oder so: Den begeisterten Volle-Punktzahl-Bewertungen hätte ich mich keinesfalls angeschlossen.

[Rezension] Kai Meyer: Arkadien erwacht

1. Band der Arkadien-Serie
Carlsen, 2009

Inhalt:
Schon bei ihrer Ankunft auf Sizilien fühlt sich Rosa, als wäre sie in einen alten Film geraten – der Chauffeur, der ihre zufällige Reisebekanntschaft Alessandro am Flughafen erwartet; der heruntergekommene Palazzo ihrer Tante; und dann die Gerüchte um zwei Mafiaclans, die seit Generationen erbittert gegeneinander kämpfen: die Alcantaras und die Carnevares, Rosas und Alessandros Familien. Trotzdem trifft sich Rosa weiterhin mit Alessandro. Seine kühle Anmut, seine animalische Eleganz faszinieren und verunsichern sie gleichermaßen. Doch in Alessandro ruht ein unheimliches Erbe, das nicht menschlich ist …

Kommentar:
Nach diversen Misserfolgen mit hochgelobter Young-Adult bzw. All-Age-Fantasy in den letzten Wochen bin ich mit äußerst gemischten Gefühlen an »Arkadien erwacht« herangegangen. Doch um es vorwegzunehmen: Kai Meyer hat mir mit seinem Buch den fast verlorenen Glauben in dieses Genre zurückgegeben – und das, obwohl ich Mafia-Plots eigentlich überhaupt nicht mag!

Die Geschichte startet mit Rosas Flugreise zu ihren Verwandten nach Sizilien und macht sofort deutlich, dass die 17-Jährige keine ganz einfache Figur ist: Sie ist aufsässig, arrogant, abweisend, stiehlt, schottet sich von der Außenwelt ab – und hat ganz offensichtlich ein traumatisches Erlebnis hinter sich, das jedoch zunächst im Dunklen bleibt. Auch den freundlichen Alessandro, der eine Reihe vor ihr sitzt und ihr zuhilfe kommt, weist sie ab, obwohl sie sich durchaus genug für ihn interessiert, um seinen Ausweis zu stehlen.

In Sizilien angekommen, wird Rosas familiärer Hintergrund offenbar: Ihr längst verstorbener Vater stammte aus einem Mafia-Clan. Von einigen Verhören abgesehen, haben Rosa und ihre Schwester Zoe, die nach dem Tod ihres Vaters in den USA aufgewachsen sind, nicht viel von den dubiosen Machenschaften der Cosa Nostra mitbekommen. Jetzt allerdings, in der Obhut ihrer Tante, die den Alcantara-Clan leitet, können sie die Augen nicht länger davor verschließen, wer sie sind und in welche Geschäfte die Familie verwickelt ist. Der Autor verzichtet dankenswerterweise darauf, allzu tief in die Aufarbeitung der Strukturen der Mafia einzutauchen und die Details zu den Korruptionen zu sehr herauszuarbeiten, und beschränkt sich stattdessen auf das Wesentliche, das für die Geschichte und deren Fortgang wichtig ist. Und wichtig ist vor allem eins: Alessandro gehört einem verfeindeten Mafia-Clan an und soll nun das Erbe seines Vaters antreten – was ihn für Rosa, passend zu ihrer Persönlichkeit, erst recht interessant macht.

Als Rosa und Alessandro sich kurz nach ihrer Ankunft auf einer Beerdigung wiedersehen und entgegen aller Regeln vor den Augen der Trauergemeinde ein privates Gespräch abseits der Menge führen, wird klar, dass auch Alessandro nicht bereit ist, sich widerstandslos den Erwartungen zu fügen. Er ist aber mitnichten einfach nur ein netter Kerl mit Rückgrat, der den herkömmlichen Mafiamethoden gegenüber skeptisch eingestellt ist, wie man zunächst vermuten könnte, sondern er verfolgt seine ganz eigenen Pläne: Um seine Ziele zu erreichen und sich als Clanführer gegen seinen skrupellosen Onkel durchzusetzen, benutzt er Rosa zunächst ungeachtet der Gefahren für seine Zwecke. Was die beiden aber gemeinsam entdecken und durchmachen müssen, schweißt sie – ebenso wie ihre arkadischen Wurzeln – mehr zusammen, als sie es sich hätten träumen lassen.

Die Geschichte erinnert stark an »Romeo und Julia«, versetzt in die Moderne und aufgehübscht mit sagenhaften Fantasyelementen. Drei Hauptstränge tragen die Geschichte: die verbotene Beziehung zwischen Rosa und Alessandro, die actionreiche Mafia-Handlung innerhalb und zwischen den Clans sowie der fantastische Hintergrund um die Arkadier; entsprechend abwechslungs- und temporeich ist die Erzählung. Aufgrund der Aktionen diverser undurchsichtiger gewissenloser Nebenfiguren, die den Protagonisten das Leben durch ihre Intrigen in jeder Hinsicht schwer machen, ist die Handlung durchgehend fesselnd. Darüber hinaus spannungssteigernd wirken die geheimnisvollen Andeutungen, etwa auf Rosas Trauma oder die undurchsichtige Verbindung der Mafiosis mit Tieren, die aber nicht übertrieben eingesetzt, sondern aufgeklärt werden, bevor sie zu nerven beginnen – im Gegensatz zu anderen Autoren hat Meyer hier genau das richtige Maß gefunden. Zu erwähnen ist, dass es teilweise relativ brutal und blutrünstig zugeht und zahlreiche Tote auf allen Seiten gibt; da die Story aber nun mal im Mafiamilieu spielt und nicht im Pfadfinderzeltlager, ist das weniger störend als passend – alles andere wäre wenig glaubwürdig gewesen.

Die Nebenfiguren wirken zum Teil ein wenig stereotyp, Rosa und Alessandro sind allerdings – auch in ihrer Entwicklung innerhalb des Buches – durchgehend überzeugend dargestellt. Rosa ist zunächst vielleicht keine ganz einfache und umwerfend sympathische Heldin, doch spätestens nachdem man weiß, was ihr in der Vergangenheit widerfahren ist, relativiert sich die Beurteilung ihres Verhaltens. Alles in allem erweisen sich beide Protagonisten klug, zielstrebig, aufrecht, empathisch und wirken sehr authentisch und lebendig – hier gibt es erfreulicherweise keine hanebüchenen, völlig überzogenen Handlungsweisen und keine unsinnigen Dialogen, wie sie mir in den letzten All-Age-Büchern immer wieder begegnet sind.

Überzeugend ist auch die Sprache, die modern und sehr anschaulich, aber nicht zu blumig geraten ist, und die Landschaft und die Atmosphäre in Sizilien wunderbar einfängt (und wer es nicht schon wusste, wird aufgrund der wiederholten Erwähnung garantiert nie wieder vergessen, dass Olivenbäume »knorrig« sind!). Auch die Ausdrucksweise der einzelnen Figuren in den Dialogen wirkt glaubwürdig und sehr passend.

Fazit:
15/15 – Ein Buch, das mich mit der ersten Seite gepackt und nicht mehr losgelassen hat – hier stimmt die Mischung aus Action, Fantasy und Liebe/Romantik einfach hundertprozentig.

Raven Cross: Bat People (Sammelband)

Sammelband; besteht aus den Geschichten: »Bat People«, »Bat City« und »Bat Woman«, erstmals erschienen in der Reihe »Cora Mystery«.

Inhalt:
BAT People (Titel der Cora-Erstausgabe: »Blutnacht«). – Als Natassjas Bruder nach einem Fledermausbiss ins Koma fällt, wird er von den BAT People verschleppt. Natassja muss ihn unbedingt befreien, bevor er in der schrecklichen Blutnacht geopfert wird. Tatsächlich kann sie ihn aus den Klauen der Vampirmenschen retten, doch dabei verliert sie ihre eigene Freiheit und ihr Herz. Sie verliebt sich unsterblich in Anwar, den Anführer der BAT People.

BAT City (Titel der Cora-Erstausgabe: »Blutmond«). – Nachdem Anwar Natassja auf ihr Drängen hin zu einer“BAT Woman gebissen hat, steht ihrer Liebe nichts mehr im Wege. Doch dann geraten die Vampirmenschen in einen Hinterhalt der verfeindeten Coyoteros, die sie mit vergifteten Pfeilen ausrotten wollen. Anwar bricht schwer verletzt zusammen und unaufhaltsam entfaltet das Gift seine entsetzliche Wirkung.

BAT Woman (Titel der Cora-Erstausgabe: »Blutkuss«). – Natassja und Anwar leben glücklich mit den BAT People in der goldenen Stadt Cibola. Aber dann bewahrheitet sich die dunkle Prophezeiung: die Coyoteros brechen ihr Ehrenwort und machen erneut Jagd auf die Fledermausmenschen.

Kommentar:
Was soll ich sagen – ich hab Band 1 nach etwas über 50 Seiten abgebrochen und das Buch weitervertauscht. Ich bin gerade ohnehin in einer schwierigen Lesephase, da hatte ich wirklich keine Lust, mich mit sprachlich wie inhaltlich so naiven Büchern abzutun. »Was erwarteste denn von Cora-Mystery-Heftchen in aufgemotzter Verpackung und warum kaufste die überhaupt?«, wird der eine oder andere jetzt fragen – und das prinzipiell zu Recht! Zu meiner Verteidigung habe ich allerdings vorzubringen, dass ich es nicht wusste und erst gerade eben, beim Studium des Impressums zur Angabe des (vermeintlich englischen) Originaltitels, darauf aufmerksam geworden bin. Hätte ich es gewusst, hätte ich nämlich in der Tat die Finger davon gelassen. Ich mag Liebesromane ohne Anspruch lesen, aber bei Jugendmystery ohne Anspruch hörts dann wirklich auf. ;)

Fazit:
Abgebrochen, weil mir das Buch wegen der sehr einfachen Strickart zu wenig unterhaltsam war und mich eher genervt hat. Es bleibt die Erkenntnis, dass man beim Mira-Verlag wirklich ganz genau hinschauen muss, was man kauft, denn Neuauflagen des Cora-Programms sind eine der Spezialitäten des Hauses.

[Rezension] Amber Kizer: Meridian. Dunkle Umarmung

Originaltitel: Meridian
1. Band der Fenestra-Serie

Inhalt:
Wenn kleine Tiere spüren, dass der Tod nah ist, suchen sie Meridians Nähe, um an sie gekuschelt zu sterben. Das war schon immer so, seit Meridian geboren wurde, und sie macht sich längst keine Gedanken mehr darüber. Doch an ihrem 16. Geburtstag ist plötzlich etwas anders: Als vor Meridians Haus ein schwerer Unfall passiert, empfindet das Mädchen den Schmerz der Sterbenden am eigenen Leib – und entgeht selbst nur knapp dem Tod. Jetzt erst erfährt sie die Wahrheit: Sie gehört zu den Fenestras, die den Seelen der Verstorbenen das Fenster zum Himmel öffnen können. Ihre Gabe ist nun voll erwacht und bringt Meridian in größte Gefahr, denn die Fenestras haben dunkle Gegenspieler …

Kommentar:
»Meridian« ist ein weiteres All-Age-Fantasy-Romance-Buch einer noch jungen Autorin, das überall so hoch gelobt wird, dass ich mich zum Lesen entschlossen habe, obwohl mich der Klappentext eigentlich nicht wirklich angesprochen hat. Um es vorweg zu nehmen: Ich hätte auf mein Bauchgefühl hören sollen, denn einmal mehr kann ich die allgemeine Begeisterung nicht teilen.

Schon der Beginn des Buches sorgt für Irritation. Nach einem kurzen Abriss über Meridians Kindheit und Jugend, in dem man erfährt, dass die Außenseiterin seit ihrer Geburt den Tod anzieht und in ihrer Gegenwart ständig Tiere sterben, beginnt die eigentliche Story mit Meridians sechzehnten Geburtstag. Just an diesem Tag wird das Mädchen in einen Autounfall verwickelt und von ihren merkwürdigen und völlig überforderten Eltern aus dem Haus geschafft: Ausgestattet mit einem Brief ihrer Mutter, der mindestens ebenso viele Fragen aufwirft wie er beantwortet, wird sie in einen Bus nach Colorado verfrachtet, der sie zu ihrer Tante Merry bringen soll, die sie noch nie zuvor getroffen hat. Nach einigen Schwierigkeiten dort angekommen, erfährt sie nach langem Hin und Her, dass sie eine Fenestra ist, ein Wesen, das Sterbende in den Himmel zum Schöpfer begleitet. Wo es die Guten gibt, gibt es natürlich auch die Bösen – in diesem Fall in Gestalt der Aternocti, die nicht nur versuchen, die sterbenden Seelen in die Hölle zum Zerstörer zu bringen, sondern die darüber hinaus die Fenestrae töten oder auf die Seite des Bösen ziehen wollen. Die verständlicherweise völlig überforderte Meridian muss also nicht nur lernen, Menschen auf die andere Seite zu begleiten, ohne selbst Schaden dabei zu nehmen, sie muss sich auch noch für den Kampf gegen die Aternocti wappnen.

Das Mädchen kann einem wirklich leid tun – und zwar nicht nur wegen dem, was da auf sie einstürzt, sondern auch wegen des unsinnigen Verhaltens ihrer Verwandtschaft. Da lassen ihre großartigen Eltern sie – trotz besseren Wissens – sechzehn Jahre lang in dem Glauben, sie sei verantwortlich für den Tod all der in ihrer Nähe verstorbenen Tiere, statt ihr vielleicht mal zu erklären, dass sie diese nicht tötet, sondern ihnen hilft. Es lehrt sie auch keiner, besser mit ihrer Begleiteraufgabe umzugehen, sodass ihr das Sterben der Tiere keine Schmerzen und schlaflosen Nächte bereitet. Und es bereitet sie auch keiner darauf vor, dass sie an ihrem sechzehnten Geburtstag die Familie verlassen muss und ab diesem Tag auch menschlichen Seelen beim Übertritt zu helfen hat. Warum um alles in der Welt hat niemand sie vorher mit ihrer Tante Merry, ebenfalls eine Fenestra, bekannt gemacht, damit sie aufgeklärt und vernünftig auf ihre neue schwierige Aufgabe vorbereitet werden kann? Und das, obwohl von vornherein klar ist, dass »die Tante« – wie sie die meiste Zeit über völlig unpersönlich genannt wird – zum Zeitpunkt von Meridians Geburtstag nur noch wenige Tage zu leben hat und mitnichten ausreichend Zeit hat, ihrer Nichte alles Notwendige beizubringen? Selbst bei Tante Merry angekommen, wird Meridian aus unerfindlichen Gründen über vieles im Dunklen gelassen und mit dem lapidaren Hinweis abgespeist, sie müsse lernen, Vertrauen zu schöpfen und tun, was ihr gesagt wird. Das alles macht in meinen Augen überhaupt keinen Sinn und ist ein gravierender logischer Mangel.

Unausgegoren ist auch der Aternocti-Plot. Es scheint ja offenbar von vornherein festzustehen, dass das Mädchen, sobald sie 16 Jahre alt ist, von den Schergen des Zerstörers gejagt werden wird. Warum die Aternocti den Geburtstag überhaupt abwarten, ist unklar; wären sie schlau, würden sie Meridian schon vorher ausschalten, dann müssten sie sich nicht mit einer »vollwertigen« Fenestra herumschlagen. Immerhin waren die Aternocti, die sich u.a. verantwortlich zeichnen für den Untergang der Azteken, von Atlantis und den Osterinseln (von denen ich noch gar nicht wusste, dass sie überhaupt untergegangen sind!), so weise, sich in der Stadt anzusiedeln, in der Tante Merry und nun eben auch Meridian leben. Sie treten ausgerechnet in Gestalt eines abgrundtief bösen Sektenführers in Erscheinung, der seiner Kirchengemeinde mittelalterliche Vorstellungen einimpft und sie mit seiner Bösartigkeit vergiftet. Die 106 Jahre alte und eigentlich sehr erfahrene Tante steht den Aternocti dummerweise vollkommen hilflos gegenüber. Sie ist einem solchen Wesen nie wissentlich begegnet und hat keine Ahnung, wie man sich ihnen zur Wehr setzen kann. Immerhin gibt sie Meridian einen überaus weisen Vorschlag an die Hand: Sie soll ein paar andere Fenestrae fragen, vielleicht können die helfen. Es bleibt ihr Geheimnis, warum sie sich nicht mal vorher um das Problem gekümmert hat, nachdem doch klar war, dass Meridian gejagt werden würde – wahrscheinlich war auch ihre Zeit vor lauter Steppdeckennähen knapp, so wie auch der Mutter die Zeit ausgegangen ist, ohne dass sie ihrer Tochter etwas erklären konnte.

In Anbetracht des unverantwortlichen Verhaltens ihrer Umwelt braucht es einen ja schon nicht mehr zu wundern, dass auch Meridian seltsam ist. Sie nimmt die Trennung von ihrer Familie über weite Strecken ebenso klaglos hin wie den drohenden Tod ihrer Tante, der sie zu allem Übel auch noch beim Übertritt ins Jenseits helfen muss, wie sie erfährt. Meridians Handlungsmotive sind mir oft unklar, und sie ist mir nicht sehr sympathisch; teilweise wirkt sie seltsam starr und emotionslos, teilweise extrem kindlich. Letzteres liegt nicht nur an ihrer Begeisterung für den mehrfach erwähnten Sponge-Bob-Flanellschlafanzug, sondern auch an ihren Umgang mit dem Jungen Tens und an ihrer unauthentischen Ausdrucksweise. Welche Sechzehnjährige würde denn bitte »Was wird hier gespielt?« (S. 143) fragen, wenn die Tante in heller Panik zur Schrotflinte greift, oder vor Überraschung »Ach du heiliger Strohsack?« (S. 306) rufen?! Das ist einfach nicht glaubwürdig und passt ebenso wenig wie die keusche Liebesbeziehung zum geheimnisvollen Tens, der vielleicht ihr Wächter oder ein Kriegerengel ist, vielleicht aber auch nicht, und dessen Schicksal irgendwie mit Meridians verknüpft ist.

Kann man über die Logikmängel und die Dialoge und Handlungen, die nur bedingt Sinn machen, hinwegsehen, lässt sich das Buch ganz nett weglesen; nett sind vor allem einige Szenen mit Tante Merry, die ein hohes Maß an Geborgenheit vermitteln. Alles in allem plätschert die Geschichte ohne große Höhen und Tiefen und ziemlich spannungsarm vor sich hin, wozu auch der wundersame »Endkampf« passt, der denkbar unspektakulär und ohne echtes Zutun der reichlich blass geratenen Hauptpersonen vonstatten geht, die märchenhafterweise unverhoffte Hilfe erhalten.

Fazit:
5/15 – Eine nicht wirklich glaubwürdige Protagonistin irrt durch ein halbgares Buch. Ein Jammer um die tolle und außergewöhnliche Grundidee! Die Fortsetzung, an der die Autorin derzeit arbeitet, werde ich ganz sicher nicht lesen.

[Rezension] Eileen Wilks: Wolf Shadow 3 – Dunkles Verlangen

Originaltitel: Blood Lines
3. Teil der Wolf-Shadow-Serie

Inhalt:
FBI-Agentin Lily Yu und ihr Gefährte, der Werwolf Rule Turner, werden vom Geheimdienst engagiert, um Politiker zu entlarven, die ein Bündnis mit Dämonen eingegangen sind. Da geschieht ein grausamer Mord, der nur von einem Dämon verübt worden sein kann. Lily bittet die Agentin Cynna Weaver und den Magier Cullen Seabourne um Hilfe. Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt, während die vier versuchen herauszufinden, wer hinter den dämonischen Angriffen steckt. Im Laufe der Ermittlungen kommen sich Cynna und Cullen näher, und schon bald entwickelt sich eine Leidenschaft zwischen den beiden, die ganz eigenen Gesetzen folgt.

Kommentar:
»Dunkles Verlangen« knüpft praktisch nahtlos an »Magische Versuchung« an, und es ist schnell klar, dass der Aufenthalt in der Hölle sowohl bei Werwolf Rule Turner als auch bei FBI-Agentin Lily Yu deutliche Spuren hinterlassen hat. Vor allem Rule, der zu lange in Wolfsgestalt war, hat Probleme, die Kontrolle über sich zu behalten, denn der Wolf in ihm ist in dieser Zeit sehr stark geworden. Doch damit nicht genug: Bei einem Dämonenangriff wird er darüber hinaus schwer verletzt. Er überlebt zwar, der Dämonen hat aber ein gefährliches Gift in Rules Körper hinterlassen, das keiner der Heiler neutralisieren oder entfernen kann, und das ihn schwächt und zu Gedächtnislücken führt.

Wie sich herausstellt, war der Dämonenangriff auf Rule nur einer von vielen, die alle gleichzeitig stattfanden und gegen die Thronfolger der verschiedenen Werwolfclans gerichtet waren. Zudem treten hohe Mengen an Magie aus und bringen die Welt aus dem Gleichgewicht, sodass Computer ausfallen, diverse magische Wesen auftauchen und die Naturgewalten außer Kontrolle geraten. Das FBI gründet eine Task Force, um die Vorkommnisse zu untersuchen. Während die FBI-Agentinnen Lily und Cynna, unterstützt von Rule und dem Werwolf-Zauberer Cullen, für die Regierung in der Sache ermitteln und den Kampf gegen das Böse aufnehmen, gibt es aber weitere Probleme zu lösen: Nicht nur muss sich Rule mit dem verfeindeten Werwolf-Clan der Leidolfs auseinandersetzen, sondern Cynna wird auch noch dazu gezwungen, sich ihrer Vergangenheit zu stellen und gegen ihre ehemalige Lehrmeisterin zu behaupten. Darüber hinaus taucht Rules Sohn Toby auf und gerät in den Fokus des Feindes … 

Vielleicht, weil ich erst vor wenigen Wochen Band 2 der Serie gelesen habe, fiel mir der Einstieg in das Buch diesmal sehr viel leichter als das bei den Vorgängern der Fall war. Möglicherweise lag es aber auch daran, dass »Dunkles Verlangen« actionreicher startet, gleich Spannung aufbaut und diese über weite Teile des Buchs aufrechterhält, während die Welterklärungsabschnitte gleichzeitig weniger Raum einnehmen als in den Vorgängerbänden. Zur Lebendigkeit der Geschichte trägt die Tatsache bei, dass es diesmal mehr Protagonisten und somit auch Erzähler gibt: Neben Lily und Turner begleitet man auch Cynna und Cullen auf ihren Abenteuern. Da alle vier sehr gegensätzliche, aber uneingeschränkt interessante und faszinierende Figuren mit inneren Konflikten sind, führt das zu sehr verschiedenen Blickwinkeln auf die Handlung, die dadurch außerdem an Linearität verliert und an Abwechslung gewinnt. Sehr knisternd dargestellt ist die Anziehung zwischen Cullen und Cynna, die ungeahnte Folgen nach sich zieht, sehr gut gelungen sind auch die Auftritte von Lily Yus Großmutter und Rules Sohn Toby, die beide eine wichtige Rolle im Verlauf des Geschehens haben.

Bei aller Begeisterung habe ich aber nach wie vor Probleme mit den theoretischen und sehr komplexen Ausführungen zur Welt der Magie und der Werwölfe. Erneut konnte ich den Erklärungen an einigen Stellen nur bedingt folgen und hab mir vieles irgendwie zusammengereimt; zumal schien es mir wieder kleine Logikmängel zu geben. Ich bin mir nicht sicher, ob das an meiner begrenzten Auffassungsgabe bzw. Fantasiebegabung liegt oder ob die Darstellungen einfach nicht ganz klar ist. Wie auch immer: Die Welt, die Eileen Wilks da aufbaut, ist sehr kompliziert und dürfte nicht nur für mich, sondern auch für andere ungeübtere Fantasyleser teilweise schwer zu fassen sein. Unverzichtbar zum Verständnis des Buchs ist die (genaue) Kenntnis der vorherigen Teile; ein Quereinstieg in Serie scheint mir trotz der Erklärungen unmöglich. Insofern finde ich es sehr schade, dass der nächste Band erst im Mai 2010 erscheinen wird – bis dahin hab ich vermutlich wieder alles vergessen, was zum Verständnis des Buchs nötig sein wird.

Fazit:
12/15 – Der bislang beste, weil abwechslungsreichste und spannendste Band der Wolf-Shadow-Serie. Ansonsten gilt, was auch für die Vorgänger galt: Starke und sehr glaubwürdige Figuren agieren in einem relativ komplexen Kosmos, der mitunter nicht ganz einfach zu verstehen ist.

[Rezension] Eileen Wilks: Wolf Shadow 2 – Magische Versuchung

Originaltitel: Mortal Danger
2. Teil der Wolf-Shadow-Serie

Inhalt:
In ihrem neuen Job als Agentin in einer Spezialeinheit des FBI zur Aufklärung von magischen Verbrechen hat Lily Yu alle Hände voll zu tun. Sie soll den charismatischen Anführer eines Kults aufspüren, der eine uralte böse Macht beschwören will. Als dieser Lily in eine Falle lockt, gerät ihre ganze Welt aus den Fugen. Ihre einzige Hoffnung ist Rule Turner, mit dem sie eine besondere Magie verbindet. Trotz der Leidenschaft, die beide füreinander empfinden, weiß Lily nur wenig über den gut aussehenden Werwolf. Doch ihr bleibt keine andere Wahl, als ihm zu vertrauen, wenn sie ihr Leben retten und den Fall lösen will.

Kommentar:
Wie schon beim ersten Teil der Wolf-Shadow-Serie hatte ich so meine Probleme, in das Buch hineinzukommen und mich in Wilks magischer Welt zurechtzufinden, die mich ein wenig überfordert. Dass ich mich nur noch grob an die Ereignisse aus Band 1 erinnern konnte, hat dazu sicher seinen Teil beigetragen – die Kenntnis von Verlockende Gefahr ist eigentlich unabdingbar und wird zwar aufgearbeitet, aber nur langsam und stückweise, sodass man oft das Gefühl hat, nicht genug Infomationen zu haben.

Das Buch startet unheilvoll: Bereits im Prolog erfährt man vom finsteren Plan, einen Dämonen Besitz von Lily Yu ergreifen zu lassen; sofort darauf erfolgt ein erster Angriff auf die Sensitive. Im Folgenden ist die Handlung aber wenig ereignisreich: Das FBI sucht nach Harlowe, dem Widersacher, der am Ende von Band 1 mitsamt dem magischen Stab flüchten konnte; vorrangig wird aber die magische Welt und deren drohende Änderung sowie die Strukturen bei den Werwölfen erklärt. Es werden neue Personen bzw. Wesen eingeführt und man begegnet alten Bekannten, die man besser kennenlernt. Auch Lily und Rule gewinnen mehr Profil, und auch die Beziehung mit all den Konflikten zwischen den beiden sehr unterschiedlichen Persönlichkeiten vertieft sich und ist sehr gut dargestellt. Alles in allem wird für meinen Geschmack in der ersten Hälfte des Buches bei Weitem zu viel Raum auf ausufernde Erklärungen aufgewendet; die Spannung bleibt zugunsten der theoretischen Ausführungen auf der Strecke, was bei mir teilweise zu einiger Langeweile geführt hat.

Das ändert sich allerdings schlagartig beim Versuch des Dämons, endgültig Besitz von Lily zu ergreifen. Die feindliche Übernahme geht nämlich gründlich schief – Lily wird zweigeteilt: Ein Teil ihrer Persönlichkeit verbleibt auf der Erde, verfügt aber über keine sensitiven Fähigkeiten mehr, der andere Teil wird mitsamt dem Dämon und Rule in Werwolfgestalt in die Hölle geschleudert und verliert alle Erinnerungen an das Leben auf der Erde. Die Handlungen auf der Erde und in der Hölle verlaufen parallel: Während die »Erd-Lily« versucht, unerlaubt einen Weg in die Hölle zu finden, um Rule in ihre Welt zurückzuholen, suchen die »Höllen-Lily«, Rule in Werwolfgestalt und der verängstigte Dämon einen Weg zurück auf die Erde und haben dabei allerlei Abenteuer zu bestehen. Die Lösung um die Zusammenführung der beiden Lilys am Ende war zwar etwas unbefriedigend, an sich war die Zweiteilung Lilys und der Handlung eine tolle Idee und hervorragend umgesetzt.

Bemerkenswert sind erneut die Figuren des Buches. Das gilt besonders für Lily Yu und Rule Turner, der im Vergleich zu Band 1 mehr Tiefgang hat – die Darstellung seiner Wolfseite und deren Auswirkung auf den Mann ist differenzierter ausgearbeitet und verleiht ihm mehr Kontur. Beide sind wirklich absolut authentische Protagonisten, die mit ihren Stärken und Schwächen sehr realistisch wirken. Die besondere, intensive Beziehung zwischen den beiden wird vor allem im Höllenszenario offenbar, und ist trotz – oder gerade wegen – der eher hintergründigen Darstellung so glaubwürdig.
Doch auch die Nebenfiguren sind wieder sehr interessant und überzeugend, allen voran Cynna und Cullen, über die man in Band 3 (Dunkles Verlangen, November 2009) mehr erfahren wird. Auch der merkwürdige Dämon Gan ist eine Bereicherung für das Buch, sorgt er doch für den einen oder anderen Lacher.

Fazit:
11/15 – Ein gutes Buch mit tollen Figuren, das wegen seiner langwierigen theoretischen Erklärungen der magischen Welt zumindest in der ersten Hälfte teils ganz schön ermüdend und wenig mitreißend ist, in der zweiten Hälfte das Tempo aber gewaltig anzieht und richtig Lust auf Band 3 macht.

Alyson Noël: Evermore

Originaltitel: Evermore
The Immortals, Book 1

Inhalt:
Ever ist sechzehn Jahre alt, als sie ihre gesamte Familie bei einem Autounfall verliert – sie überlebt als Einzige. Seither ist sie in sich gekehrt und kapselt ihre verletzte Seele von der Außenwelt ab. Alles ändert sich jedoch, als sie Damen zum ersten Mal in die Augen blickt. Denn Damen sieht nicht nur verdammt gut aus, er hat etwas, was Ever zutiefst berührt. Aber irgendetwas an ihm irritiert sie. Seitdem sie dem Tod so nahe war, besitzt sie nämlich die einzigartige Fähigkeit, die Gedanken der Menschen um sie herum hören und ihre Aura sehen zu können. Doch nicht so bei Damen: Er scheint diese Gabe auf mysteriöse Weise außer Kraft zu setzen. Sie sieht und hört nichts – für sie ein untrügliches Zeichen, dass Damen eigentlich tot sein müsste. Er wirkt aber alles andere alles leblos, und am liebsten würde Ever sich nie mehr von seinem warmen Blick lösen. Wenn sie sich nur nicht ständig fragen müsste, wer er eigentlich ist und was er ausgerechnet von ihr will …

Kommentar:
Eigentlich fängt das Buch sehr vielversprechend an, denn Ever erscheint zunächst als ziemlich außergewöhnliche Heldin. Sie kann seit einem Unfall, an dem sie sich die Schuld gibt und bei dem sie ihre Familie verloren hat, nicht nur Geister, sondern auch die Aura anderer Menschen sehen und deren Gedanken hören. Dass ihre hellseherischen Fähigkeiten eher Nachteile mit sich bringen, wird direkt zu Beginn des Buches klar, als Ever mit ihrer Freundin Haven zusammen ist und unter Havens Berührung leidet. Das hübsche Mädchen verschanzt sich also hinter Kapuzenpullovern und lauter Musik, um die Umwelt möglichst auszuschalten. Alles ändert sich, als der attraktive Damen an der Schule auftaucht, denn wenn er sie berührt oder mit ihr redet, herrscht auf einmal wunderbare Stille um sie herum. Gegen ihren Willen verliebt sie sich in ihn und ist glücklich, als er ihre Gefühle zu erwidern scheint – obwohl sie weiß, dass irgendetwas nicht mit ihm stimmt.

Aus dieser prinzipiell guten Grundidee macht die Autorin leider ein wenig erbauliches Buch. Die Figuren sind viel zu platt und klischeehaft, allen voran der geheimnisvolle, (be-)zaubernde, charmante, überwältigend gutaussehende und scharfe, allwissende und künstlerisch begabte, allseits beliebte, von allen begehrte Damen – kann man nicht vielleicht mal ein bisschen weniger dick auftragen?!
Nicht viel besser sind Evers beste bzw. einzige Freunde: Miles ist schwul und für die Bühne geboren, Haven ein rebellierender Goth und zudem extrem zickig und albern. Beide sind in Damen verliebt, wobei Haven sogar so weit geht, ihn sich zu »reservieren«. Was man zunächst für einen Scherz halten könnte, ist toternst gemeint, wie Ever feststellen muss, als Damen sein Interesse an ihr deutlich macht, denn Haven wendet sich von ihr ab und sucht sich eine andere Freundin, zunächst Evangeline, dann Drina. Drina allerdings ist das personifizierte Böse – und das ist auch allen klar außer Haven.
Ever selbst erscheint zunächst interessant und relativ vernünftig, doch das ändert sich mit zunehmendem Fortschreiten der Handlung. Schon ihre erste Reaktion auf Damen – ihre vehemente Weigerung, ihn anzusehen –, ist seltsam, doch mit zunehmender Verliebtheit werden ihre Verhaltensweisen und Beweggründe immer weniger nachvollziehbar. Und zwar nicht nur hinsichtlich Damen, sondern auch was ihr eigenes Leben angeht.

Angesichts dieser Figuren ist natürlich auch in Sachen Story nicht mehr viel zu retten. Um genau zu sein, nach einem recht starken Beginn macht sich ziemlich schnell Langeweile breit, obwohl durchaus viel passiert – wenn auch nichts von Bedeutung. Damen verführt Ever z.B. permanent zum Schule schwänzen, um spannende Dinge wie einen Besuch in Disneyland, beim Pferderennen oder am Strand zu unternehmen. Das Ende solcher Ausflüge kommt immer ziemlich abrupt, indem sich Damen nämlich stets aus unerfindlichen Gründen in Luft auflöst; Ever wundert sich zwar darüber, übt sich aber weitgehend in Ignoranz und begnügt sich mit Damens halbherzigen Erklärungen. Das Grundproblem des Buches dürfte sein, dass alles, was passiert, relativ belanglos ist und einfach aneinandergereiht und runtergeschrieben wirkt, ohne dass irgendein Gefühl rüberkommt.

Wirklich richtig ärgerlich ist das letzte Drittel des Buches – ab dem Moment, wo Ever erfährt, wieso sie den Unfall damals überlebt hat und beginnt, sich mit Wodka (der übrigens als »süße Flüssigkeit« bezeichnet wird) abzuschießen, weil sie zufällig gemerkt hat, dass sie so ihre hellseherischen Fähigkeiten ausschalten kann. Die Handlung zieht sich ab diesem Punkt trotz all der (teils hanebüchenen) Aufklärungen und der Action am Ende wirklich wie Kaugummi; ein Übermaß an Infos, Kniffen und Wendungen wirkt ab einem gewissen Punkt eben eher ermüdend als spannend! Zudem muss man sich angesichts der gelieferten Informationen und Erklärungen doch fragen, wie die ganze vorherigen Ereignisse überhaupt passieren konnten und wieso Damen nicht eher gehandelt hat; vieles erscheint nicht ganz logisch und konsequent zu Ende gedacht worden zu sein. Und gerade, als man glaubt, dass es schlimmer nicht mehr werden kann, zaubert die Autorin auch noch die ultimativ lachhafte Idee aus dem Hut: Es kommt zu einem Mord im 4. Chakra und zu Heilung durch Selbstvergebung. Also bitte!

Fazit:
05/15 – Jede Menge Plattitüden, viel Langeweile, eine ziemlich haarsträubende Auflösung und ein signifikanter Mangel an Gefühl – einmal mehr wurde aus einer guten Grundidee viel zu wenig herausgeholt. Schade drum.

Maggie Stiefvater: Lamento. Im Bann der Feenkönigin

Originaltitel: Lament. The Faerie Queen’s Deception
The Books of Faerie, Teil 1

Inhalt:
Immer wieder träumt die 16-jährige Deirdre von einem geheimnisvollen Jungen namens Luke. Doch das sind nur Träume, oder? Das Mädchen kann es kaum glauben, als ihr Luke bei einer Schulaufführung plötzlich leibhaftig gegenübersteht. Noch seltsamer wird es, als ihre Großmutter sie eindringlich vor dem Jungen warnt und sie bittet, sich von ihm fernzuhalten. Das ist längst unmöglich für Deirdre: Sie hat sich unsterblich verliebt. Doch Luke ist nicht der, für den sie ihn hält. Als er plötzlich spurlos verschwindet und Deirdre sich auf die Suche nach ihm macht, gerät sie mitten hinein in einen magischen Krieg, der seit Jahrhunderten währt. Und sie erfährt, dass der Junge, den sie liebt, von der rachsüchtigen Feenkönigin mit einem ganz bestimmten Auftrag zu ihr geschickt wurde: Um sie zu töten …

Kommentar:
Diese Geschichte hat (fast) alles, was ein klassisches Märchen ausmacht: einen Kampf zwischen Gut und Böse, einen Helden mit tragischem Schicksal, der gerettet werden muss, übernatürliche Wesen, aufopferungsvolle Helfer und eine große Liebe. Die märchenhaften Züge manifestieren sich aber auch in einem Umgang mit dem Übernatürlichen, der von Beginn an äußerst befremdlich wirkt.

Hauptperson Deirdre – wohlgemerkt im 21. Jh. lebend! – nimmt mit stoischer Gelassenheit die seltsamen Vorgänge und das absonderliche Verhalten ihrer Umgebung zur Kenntnis: Sie wundert sich weder über das Auftauchen eines Jungen aus ihren Träumen noch über voyeuristische sprechende Kaninchen, geschweige denn über ihre eigenen plötzlich aufkeimenden übernatürlichen Fähigkeiten. Auch dass ihre Großmutter undurchsichtige Gespräche mit dem eigentlich fremden Jungen führt und sich überhaupt ihre ganze Familie auf einmal vollkommen merkwürdig verhält, hinterfragt sie ebenso wenig wie die ständigen rätselhaften Bemerkungen ihres neuen Freundes Luke, mit dem sie sich seltsam verbunden fühlt. Sie hat ja schließlich mit ihrer frisch entflammten Liebe wahrlich genug zu tun, da kann sie sich nicht zusätzlich um derartige Abstrusitäten kümmern! Sporadisch aufkeimende Zweifel und Fragen werden von Luke ganz easy zerstreut, etwa mit dem Vorschlag: »Schmoll nicht, sing lieber!« (118). Sorgen wegmuszieren bzw. -singen – wer wollte sich in Anbetracht von Deirdres Ignoranz und Verdrängungstalent darüber noch ernsthaft aufregen?!

Es wird besser, als Deirdre an einem gewissen Punkt der Handlung nicht mehr länger ignorieren kann, was um sie herum vorgeht, und wenigstens in groben Zügen über die Lage aufgeklärt wird. Doch selbst dann ist Mangel an Neugier und ihr nicht vorhandener Drang, näheres zu erfahren und alles verstehen zu wollen, noch vorhanden und nicht nachvollziehbar. Sie scheint ganz nach dem Motto zu handeln: Was ich nicht weiß, betrifft mich auch nicht – ich stolper einfach weiter blauäugig durch die Welt und hoffe drauf, dass meine Freunde, Glück und der Zufall es schon richten werden. Märchenhaft, eben. Vielleicht aber auch einfach Ausdruck des (missglückten) Versuchs der Autorin, die Spannung zu steigern, indem sie den Leser so lange wie möglich im Dunklen tappen lässt.

Da Deirdre so erfolgreich die Realität verdrängt, der Leser das Geschehen aber aus ihrer Perspektive erlebt, erfährt man über das Opfer ihrer Begierde zunächst herzlich wenig. Luke ist gutaussehend, blond, fürsorglich, spielt hinreißend Flöte und schreckt ganz offensichtlich nicht vor kotzenden Mädchen zurück. Da er gerne mal vor sich hinorakelt, mit rätselhaften Bemerkungen verblüfft und immer wieder unvermittelt aus dem Nichts auftaucht, um Deirdre zu retten, wirkt er zwar einigermaßen mysteriös, ist dabei aber nicht wirklich überzeugend. Ansonsten ist er vor allem sprachlich auffällig, wenn er Sätze wie »Weine nicht, hübsches Mädchen« (S. 64) oder »Nun, komm denn, meine frostige Königin« (S. 60) äußert. (Muss ich erwähnen, dass Deirdre sich nicht daran stört, geschweige denn verwundert ist?) Wie man später erfährt, hat Luke einen durchaus interessanten Hintergrund, der auch seine antiquierte Sprache erklärt, leider hat die Autorin aber verpasst, sein Schicksal gut genug auszuarbeiten, sodass auch er letztendlich blass bleibt.

Eine weitere wichtige Person ist James, Deirdres bester Freund. Er ist das genaue Gegenteil von Luke, Typ Klassenkasper, immer nen lässigen Spruch auf den Lippen (der oft nicht wirklich lustig ist). Er wirkt zunächst normal, zuverlässig und bodenständig, offenbart dann aber unvermittelt hellsichtige Fähigkeiten, streckt heroisch böse mächtige Feen nieder und wundert sich ebenso wenig über die seltsamen Vorgänge wie Deirdre selbst. Warum er am Ende in dieser Form mit in die Geschichte gezogen werden muss, erklärt sich mit dem just erschienenen Buch, in dem James zum Protagonisten mutiert.

Die Grundidee von Lament ist nicht sensationell neu, aber so einfach wie gut. Die Geschichte an sich ist faszinierend und hat großes Potenzial, sie ist aber schlicht und ergreifend nicht gut, sondern vollkommen oberflächlich umgesetzt – und zwar nicht nur wegen Deirdres befremdlicher und unglaubwürdiger Ignoranz, sondern auch wegen des Handlungsaufbaus insgesamt. Vieles bleibt im Dunklen, vieles ist nur angedeutet, verworren dargestellt und/oder nicht konsequent zuende gebracht. Regelmäßig sorgen überflüssige Kursivierungen für Verärgerung und Szenen, in denen Deirdre Situationen mit den Augen anderer sieht, für Verwirrung, weil sie so übergangslos ins Geschehen integriert wurden. Zudem spielen sich immer wieder für die Handlung elementare Ding so nebenbei ab, dass sie völlig untergehen; erst später fällt einem auf, dass man offenbar irgendwas verpasst haben muss, das in einem Nebensatz abgehandelt wurde. Ich hab wirklich selten so oft zurückgeblättert und Passagen mehrfach gelesen – und stand am Ende dennoch mit so vielen unbeantworteten Fragen da.

Fazit:
5/15 – Aus der Idee hätte man ein wunderbares Buch machen können, leider ist die Umsetzung ziemlich misslungen. Es passiert zu viel zu schnell, ohne dass man den Sinn, geschweige denn den Gesamtzusammenhang erfassen könnte. Am Ende stehen jede Menge offene Fragen und eine Lösung, die auch nicht gerade dazu beiträgt, einen mit der Geschichte zu versöhnen.