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[Rezension] Maggie Stiefvater: Shiver

Deutscher Titel: Nach dem Sommer (Herbst 2010)
The Wolves of Mercy Falls, Book 1

Inhalt:
Im Alter von elf Jahren wird Grace von einem Rudel Wölfe angegriffen und in den Wald gezerrt, doch ein Wolf mit faszinierenden gelben Augen rettet sie vor dem sicher geglaubten Tod. Noch sechs Jahre später kehrt das Tier immer im Winter zum Garten der Familie zurück – sehnsüchtig erwartet von Grace, die sich ihm seltsam verbunden fühlt. Als eines Tages eine Hetzjagd auf die Wölfe stattfindet und Grace einen verletzten Jungen mit gelben Augen auf der Veranda findet, weiß sie mit untrüglicher Sicherheit, dass er »ihr Wolf« ist. Endlich können die beiden zusammensein – doch die Zeit läuft gegen sie, denn Sam hat nur noch diesen einen Winter in Menschengestalt …

Kommentar:
Da mir »Lamento«, der Erstling der Autorin, trotz der Lobeshymnen allerorten nicht besonders gefallen hat, wollte ich ja eigentlich kein Buch mehr von Maggie Stiefvater lesen. Nur weil Holly unbeirrt die Werbefahne für »Shiver« geschwungen hat und mir das Buch im Dezember zufällig für drei Euro in die Hände gefallen ist, hab ich schließlich doch zugeschlagen – zum Glück!

Shiver ist eine melancholische und äußerst gefühlvolle Geschichte über die Liebe zwischen einem Mädchen und einem Werwolfjungen, erzählt in sehr leisen Tönen und dennoch packend von der ersten bis zur letzten Seite.

Vor allem die Idee zu den Werwölfen ist frisch und war meines Wissens so noch nicht da: Ihre Gestalt hängt ab von der Umgebungstemperatur. Im Sommer leben sie als Menschen, im Winter als Wölfe. Je öfter sich ein Werwolf gewandelt hat, desto wärmer muss es sein, um wieder Mensch werden bzw. bleiben zu können; zudem ist die Anzahl der möglichen Gestaltwandlungen begrenzt und das Leben der Werwölfe endet zwangsläufig in Wolfsgestalt.

Genau das ist das Problem von Sam und Grace. Als sie aufeinandertreffen, weiß Sam, dass er zum letzten Mal in menschlicher Gestalt auftritt; seine nächste Verwandlung in einen Wolf wird endgültig sein. Aus diesem Grund ist ihr Zusammensein zu keinem Zeitpunkt unbeschwert, denn obwohl es eine Weile möglich ist, Sam vor der Kälte zu bewahren und einigermaßen warmzuhalten, damit er sich nicht verwandelt, wissen sie beide, dass das nicht dauerhaft möglich sein wird und ihre Zeit limitiert ist. Die beiden versuchen über weite Strecken, diese Tatsache auszublenden und bemühen sich, die kurze Zeit, die ihnen bleibt, zu nutzen so gut es geht, doch die Angst vor dem Verlust hängt zu jeder Zeit wie ein Damoklesschwert über ihnen. Umso intensiver erleben sie jeden Moment, den sie miteinander verbringen – ob in einem goldfarbenen Herbstwald, beim Lesen von Gedichten oder in einem Süßwarenladen.

Passend zur ruhigen Geschichte sind die beiden Hauptfiguren eher ernst und verschlossen, dabei aber sehr authentisch und sympathisch. Grace, deren Leben nach der Attacke sehr auf die Wölfe fixiert ist, verkriecht sich gerne mit ihren Büchern und erledigt den Haushalt, weil ihre Eltern sich weder darum noch um sie kümmern. Sam, der bereits als Kind gebissen wurde, hat als junger Werwolf einen Mordversuch seiner Eltern überlebt, die ihn für ein Monster hielten. Im Werwolf Beck und dem Rudel hat er zwar eine Ersatzfamilie gefunden, ein Trauma ist ihm aber geblieben. Im Gegensatz zur eher sachlichen Grace ist Sam der musische Mensch, für den Musik und Poesie ein wichtiger Teil des Lebens ist. Der Umgang zwischen Grace und Sam ist geprägt von großer Zärtlichkeit, stillschweigendem Verständnis und selbstloser Fürsorge; ihre körperliche Beziehung ist ebenfalls sehr liebevoll, und es sind die kleinen Gesten zwischen den beiden, die das Buch so besonders machen.

Dass ihre körperliche Beziehung über weite Strecken zudem relativ keusch ist, ist allerdings einer von zwei Punkten, die nur bedingt glaubwürdig sind: Grace und Sam sind siebzehn bzw. achtzehn Jahre und halten lange Zeit nur Händchen und tauschen zarte Küsse, obwohl sie ständig zusammen sind und sogar miteinander in einem Bett schlafen. Jugendfantasy hin oder her – das erscheint ziemlich realitätsfern. Ebenso schwer zu glauben fällt die Tatsache, dass Sam über einen längeren Zeitraum bei Grace im Haus leben und in ihrem Zimmer schlafen kann – und zwar vollkommen unbemerkt von Graces Eltern. Das ist mit der mangelnden Fürsorge und Egozentrik der Eltern nicht plausibel zu erklären. Angesichts der Stärken des Buches fallen diese beiden Punkte allerdings nicht wirklich ins Gewicht.

Fazit:
15/15 – Eines der besten und berührendsten Bücher, die ich in letzter Zeit gelesen habe – einfach wunderschön.

6 Kommentare zu [Rezension] Maggie Stiefvater: Shiver

  • Oh ja, und wie! Ich bin wirklich sehr froh, auf dich gehört zu haben! :)

  • Hallo! Hab mir das Buch dank deinem Beitrag gekauft. Bin sehr gespannt darauf :)

  • Ich hoffe, dass es dir auch gefällt, David! :)

  • Love love love Shiver!!!

    „15/15 – Eines der besten und berührendsten Bücher, die ich in letzter Zeit gelesen habe – einfach wunderschön.“ –> Dem kann ich nur voll und ganz zustimmen.

    Dieses Buch gibt es momentan nur in englischer Sprache, soll aber wohl bald uebersetzt herauskommen (Keine Gewaehr!) und ich hoffe, dass der Uebersetzer sich Maggie Stiefvater’s Schreibstil annimmt, der dem Buch soviel an Charme verleiht.

    In Shiver geht es um Sam und Grace. Grace ist 17 Jahre alt und fasziniert von einem Wolf, der sie – als sie noch ein Kind war – vor dem Tod gerettet hat. Was Grace jedoch nicht weiss, der Wolf – ihr Wolf – verwandelt sich im Sommer in einem Menschen. So kommt es eine Tages, dass Grace und der Wolf in Menschengestalt – Sam – sich treffen und ineinander verlieben. Ein Wettlauf mit der Zeit beginnt, da Sam sich bald wieder in einen Wolf verwandeln wird – diesmal fuer immer. Kann die Liebe bestehen?

    Nach Shiver soll es noch 2 weitere Baende geben – Linger und Forever. Linger kommt noch dieses Jahr raus und ich kann es kaum erwarten.

  • Achja, und was die 2 „Schwachstellen“ – die keusche Liebesbeziehung und die Ignoranz der Eltern – angeht, muss ich sagen, dass ich da klar und deutlich widerspreche;-) Gerade die keusche Liebesbeziehung macht das Buch zu dem, was es ist. Ausserdem ist das Verhalten verstaendlich, wenn man deren Situation bedenkt. Does that make sense?:-) Und die Eltern scheinen ja auch sonst alles andere als Eltern zu sein. Also kann man nicht erwarten, dass sie sich wie Eltern auffuehren.

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