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Inhalt:
Mia muss sich entscheiden: Soll sie bei ihrem Freund Adam und ihrer Familie bleiben – oder ihrer großen Liebe zur Musik folgen und mit ihrem Cello nach New York gehen? Was, wenn sie Adam dadurch verliert?
Und dann ist von einer Sekunde auf die andere nichts mehr, wie es war: Auf eisglatter Fahrbahn rast ein Lkw in das Auto, in dem Mia sitzt. Mit ihrer Familie. Sie verliert alles und steht vor der einzigen Entscheidung des Lebens: bleiben oder gehen?
Kommentar:
Wenn du bleibst, tue ich, was immer du willst. Ich verlasse die Band und gehe mit dir nach New York. Aber wenn du willst, dass ich aus deinem Leben verschwinde, dann tue ich auch das. (…) Ich kann ertragen, dich so zu verlieren, wenn ich dich nur nicht hier und heute verlieren muss. Ich werde dich gehen lassen. Wenn du bleibst. (Adam zu Mia, S. 264f.)
Ein Familienausflug endet für die 17-jährige Mia in einer Katastrophe: Eben noch sitzt sie mit geschlossenen Augen auf dem Rücksitz des Autos und lauscht Beethovens Cellosonate Nummer drei, im nächsten Moment findet sie sich in einem Straßengraben wieder. Das Auto ist nur noch Schrott ist, doch da sie selbst scheinbar unverletzt ist, ist sie guter Hoffnung, dass auch ihre Familie den Unfall unbeschadet überstanden hat. Dann allerdings findet sie die Leichen ihrer Eltern und nicht viel später steht sie ihrem eigenen schwer verletzten Körper gegenüber. Während die Ärzte zunächst an der Unfallstelle und später im Krankenhaus um ihr Leben ringen, betrachtet Mia das Geschehen von außen und versucht zu begreifen, was vor sich geht. Es dauert eine Weile, bis sie erkennt, dass sich ihr Geist von ihrem Körper gelöst hat und sie sich in einem Zustand zwischen Leben und Tod befindet – und dass es allein ihre Entscheidung ist, ob sie ihrer Familie ins Jenseits folgt oder im Diesseits bleibt.
Um ihre Wahl treffen zu können und festzustellen, was sie verloren hat und was ihr noch geblieben ist, lässt die komatöse Mia ihr bisheriges Leben Revue passieren. Sie denkt zurück an ihre erwachende Leidenschaft für die Musik, die eine große Rolle in ihrem, aber auch im Leben ihrer Eltern und ihres Freundes spielt (auf der Homepage zum Buch findet sich eine Playlist der im Roman erwähnten Lieder), an ihr erstes Konzert und ihre Aufnahmeprüfung an einer Musikakademie. Sie erinnert sich an die Geburt des kleinen Bruders und die Wandlung ihres Vaters, an Erlebnisse mit ihrer treuen Freundin Kim, an ihren ersten Kuss und die zeitweise schwierige Beziehung zu Adam sowie an die eigentlich noch zu treffende Entscheidung zwischen ihrer Musikkarriere und ihrem alten Leben, das nach dem Unfall aber gar nicht mehr existiert. Die Rückblicke fügen sich wunderbar ins gegenwärtige Geschehen ein, denn sie werden jeweils ausgelöst von aktuellen Ereignissen im Krankenhaus und von Mias Besuchern, ihren Handlungsweisen und Worten. Obwohl die Rückblenden immer nur relativ kurze Episoden erzählen, sind sie von hoher Intensität, denn sie offenbaren die Schlüsselmomente im Leben der Siebzehnjährigen und sind ausgesprochen gefühlvoll beschrieben, ohne überladen oder kitschig zu sein. Sie zeigen ein bis zu diesem Zeitpunkt relativ unbeschwertes, nahezu perfektes Leben eines zufriedenen, ziemlich normalen Mädchens, das in einem Umfeld der Geborgenheit und Zuneigung aufwächst, und machen nur allzu deutlich, welch hohen Stellenwert die Familie für Mia hatte und wie immens gerade deshalb der Verlust für sie sein muss. Wer könnte nicht nachvollziehen, dass sie an ihren Erinnerungen verzweifelt, dass sie müde, erschöpft und unendlich traurig ist und den Wunsch verspürt, einfach aufzugeben und ihrer Familie zu folgen.
Und doch gibt es da noch die Zurückgebliebenen, liebevolle Verwandte und wundervolle Freunde, vor allem in Gestalt von Mias Großeltern, Adam und Kim, die Mias Entscheidung beeinflussen. Sie sind im Krankenhaus an ihrer Seite, versuchen, für sie da zu sein, ihr Mut zu geben und sie davon zu überzeugen, dass ihr Leben trotz des schrecklichen Verlusts immer noch lebenswert sein kann. Jeder von ihnen ist bereit, eigene Opfer zu bringen und Mia notfalls auch aufzugeben, um den Druck von ihr zu nehmen und ihr die Entscheidung – wie auch immer sie ausfallen mag – zu erleichtern.
Ohne Pathos und Sentimentalität, aber mit viel Gefühl erzählt die Autorin diese wundervolle und extrem berührende Geschichte über Familie, Freundschaft und Liebe, über Wertschätzung, Verlust, Leidenschaften, Entscheidungen und das Leben an sich. Trotz seiner positiven Botschaft ist das Buch – ebenso wie Mias Schicksal – erschütternd und herzzerreißend traurig, nicht zuletzt deshalb, weil es erschreckend deutlich vor Augen führt, wie kurz und vergänglich das Leben sein kann und dass sich ganz plötzlich, von einer Sekunde auf die andere, alles ändern und man alles verlieren kann, was einem etwas bedeutet, ohne dass man Einfluss darauf hätte.
Fazit:
15/15 – Eine mitreißende, zutiefst bewegende Umsetzung eines schwierigen Themas, die einen in heillosen Gefühlsaufruhr stürzt und zu Tränen rührt.
Inhalt:
Wünschen ist nichts für Anfänger! Das muss auch Olivia erkennen, als ihr Wunsch, den eine Fee ihr so großzügig gewährt, ein kleines bisschen aus dem Ruder läuft. Warum musste ihr Märchenprinz sich aber auch erdreisten, eine andere heiraten zu wollen? Nun ist er ein Frosch, und als sie ihn so vor sich sieht, grasgrün, mit einem Heißhunger auf Fliegen, packt Olivia das schlechte Gewissen. Sie ist entschlossen, die Verwandlung rückgängig zu machen, selbst wenn sie sich dazu mit einem mächtigen Hexenzirkel anlegen muss …
Kommentar:
Das Erstlingswerk der Wienerin Claudia Toman startet skurril und entsprechend faszinierend: Direkt zu Beginn wird der Märchenprinz auf Wunsch der Protagonistin in einen Frosch verwandelt – und zwar von einer männlichen Fee, einem »Feerich« sozusagen, der offenbar ein Faible für Pink und Tüll hat. Nicht zuletzt aufgrund des ausgefeilten, leicht ironischen Schreibstils sorgt diese Eingangsszene für einige Erheiterung und einen wunderbaren Start ins Buch.
Da Olivia aber das schlechte Gewissen packt, zieht sie aus, um dem Frosch seine menschliche Gestalt zurückzugeben. Es geht von Wien nach London, wo ein mächtiger Hexenzirkel, der eigentlich seine Unterstützung zugesagt hatte, den verwandelten Prinzen postwendend in einen Brunnen einsperrt und Olivias Zugriff entzieht. Es gilt also nicht nur, den Frosch innerhalb von 48 Stunden zurückzuverwandeln – Olivia muss ihn erst mal von den Hexen zurückerobern. Wie es sich für ein Märchen gehört, stehen ihr dabei eine Menge wundersame freundliche Helfer – etwa in Gestalt von Shakespeare, einer Esoterikladenbesitzerin oder einem Theatergeist – sowie natürlich der Zufall zur Seite, und böse Gegenspieler fehlen ebenfalls nicht. Dennoch ist dieser Teil der Handlung recht ereignisarm und unterhält trotz der netten und wirklich interessanten Ideen insbesondere durch Situationskomik, spritzige Dialoge und eine witzige Sprache, die zwar sehr locker, aber dennoch bewusst und fast liebevoll ausgefeilt wirkt. Wer sich daran nicht erfreuen kann, wird vermutlich wenig Spaß an »Hexendreimaldrei« haben.
Unterbrochen wird die eigentliche Handlung während dieser Phase von Rückblenden, die schildern, wie Olivia ihren Märchenprinzen kennen und lieben lernt: Abwechselnd erzählt ein Kapitel von früher und das nächste von heute. Üblicherweise endet ein Kapitel mit einer Art Cliffhanger, was natürlich einerseits erst mal die Spannung steigert und den Leser dranbleiben lässt, andererseits aber nach einer Weile auch ausgereizt ist und recht bemüht wirkt. Bisweilen wird darüber hinaus innerhalb der jeweiligen Erzählzeit noch weiter in die Vergangenheit geblendet – dann wirds auch schon mal verwirrend, denn man weiß manchmal nicht mehr recht, wo man sich gerade befindet. Die ganze Kennenlernphase ist überdies recht intensiv ausgebreitet und dafür nicht beeindruckend und nicht emotional genug. Sie soll wohl begründen, wieso Olivia den Märchenprinz in einen Frosch zu verwandeln wünscht, entschleiert die Protagonistin aber eher als ziemlich naiv und realitätsfern – was aber ja zugegenermaßen ein klassisches Charakteristikum eines Märchenhelden ist. Jedenfalls kein Wunder, dass der Märchenprinz, dessen Reiz übrigens nicht wirklich rüberkommt, sie nicht haben will!
Der zweite Teil des Buchs, in dem Olivia ins Hauptquartier der Hexen eindringt, um ihren Frosch aus deren Fängen zu retten, ist ereignisreicher als der erste Teil, verliert aber gleichzeitig an Situationskomik, sprachlicher Unterhaltsamkeit und Ironie und ist damit auch nicht fesselnder. An einigen Stellen ist die Handlung außerdem entschieden zu verworren und kaum mehr nachzuvollziehen, weshalb schließlich auch die Spannung sinkt. Das Ende übersteigt meine Auffassungsgabe dann ehrlich gesagt vollkommen und hinterlässt mich relativ ratlos.
Fazit:
8/15 – Eine märchenhafte Geschichte mit einer wunderbaren Hintergrundidee und viel Witz, die zwar recht unterhaltsam ist, aber nicht ganz ausgereift wirkt und deshalb letztendlich durchschnittlich bleibt. Dennoch bin ich gespannt auf den Nachfolger »Jagdzeit«, der im Mai 2010 erscheinen wird.
Deutscher Titel: Der Winterwundermann
Between the Plums, Band 1
Inhalt:
Es sind nur noch vier Tage bis Weihnachten, doch Stephanie Plums Welt ist alles andere als fröhlich. Weder Baum noch Geschenke sind organisiert, und ihr ist so weihnachtlich zumute wie einem Truthahn zu Thanksgiving. Als ein paar Tage vor dem Fest dann statt des Weihnachtsmanns ein fremder Mann in ihrer Küche steht, ist Stephanie endgültig überfordert. Sie mag ja an seltsame Leute gewohnt sein – man nehme nur ihre Familie –, aber dieser Typ ist tatsächlich sehr merkwürdig. Angeblich heißt er Diesel, ist ziemlich attraktiv, und Stephanie hat keine Ahnung, wie er in ihre Wohnung gekommen ist – oder warum. Hat er womöglich etwas mit dem flüchtigen Spielzeugwarenhändler Sandy Claws zu tun, der ins Winterwunderland entschwunden zu sein scheint? Stephanie versucht, der Sache auf den Grund zu gehen und bekommt es dabei mit wütenden Elfen, explodierenden Weihnachtsbäumen und einem ganz speziellen Herrn zu tun, den ihre Großmutter von der Männerjagd mitgebracht hat …
Kommentar:
Lange Inhaltsangabe, sehr kurzer Kommentar: Eine leidlich unterhaltsame, ganz witzige Weihnachtsgeschichte, der aber der Pfiff fehlt. Stephanies Familie ist skurril, irrsinnig und witzig wie immer, die um sich greifende Weihnachtspanik um Geschenkewahnsinn und Baumkauf sind durchaus amüsant und – wenn auch überspitzt dargestellt – bedenklich wahr. Die Jagd nach dem Spielwarenhändler Sandy Claws dümpelt allerdings doch recht dröge vor sich hin, und die magischen Elemente wirken leider ziemlich unausgegoren; bei aller Bereitschaft, fantastische Ideen als gegeben hinzunehmen, hätte ich mir doch ein paar Erklärungsansätze gewünscht. Es macht tatsächlich ein wenig den Eindruck, als hätte Evanovich den Hintergrund nicht so richtig durchdacht. So bleibt bei aller Situationskomik die Unterhaltung ein wenig auf der Strecke.
Bleibt zu sagen, dass das Buch inhaltlich wie auch bzgl. des Umfangs sehr dünn ist, und dass zumindest bei der deutschen Ausgabe dieses Buches das Preis-Leistungs-Verhältnis in keinster Weise stimmt. »Der Winterwundermann« mit 143 Seiten Geschichte als Hardcover für einen Preis von 12,95 Euro zu verkaufen, birgt hohes Enttäuschungspotenzial beim Leser und ruft zurecht einige Verärgerung hervor.
Fazit:
7/15 – Weihnachtsunterhaltung aus dem Hause Plum, die aber nur leidlich fesselnd und zumindest in der deutschen Ausgabe viel zu teuer ist. Immerhin brennt nicht nur das Auto, sondern auch der Baum!
Inhalt:
Innerhalb einer einzigen schicksalsschweren Nacht sterben Jack und Laurel, die seit fast vierzig Jahren glücklich verheiratet waren. Schweren Herzens finden sich ihre drei Kinder zusammen, um die Begräbnisfeierlichkeiten zu organisieren. Jeder hat sein eigenes Problem im Gepäck: Matthews Ehe ist ungewollt kinderlos und entsprechend angespannt. Samantha wiederum ist bereits geschieden und muss sich als alleinerziehende Mutter durchkämpfen. Und Malcolm ist um seiner Jugendliebe willen mit dem Gesetz in Konflikt geraten und bereits vor Jahren in Brasilien untergetaucht.
Im Keller ihres Elternhauses stoßen die drei unvermutet auf einen Schatz: kistenweise Briefe des Vaters an die Mutter, die er ihr jahrzehntelang jeden Mittwoch geschrieben hat. Sie bieten wunderbar romantische Liebeserklärungen an seine Frau und zugleich eine rührende Geschichte der Familie. Die Lektüre ist zunächst enorm tröstlich. Doch dann taucht ein Brief auf, der die Familie in ihren Grundfesten erschüttert und eines der Kinder in den Abgrund zu stoßen droht.
Kommentar:
Dreh- und Angelpunkt der Geschichte sind die Briefe von Laurel und Jack Cooper, die ihre Kinder im Keller finden, als sie zur Beerdigung in der Frühstückspension ihrer Eltern zusammentreffen; sie sind Aufhänger, um die Familiengeschichte der Coopers zu erzählen. Die eigentlichen Briefe nehmen dabei allerdings weit weniger Raum ein als erwartet, denn die Aufarbeitung der Inhalte und der Vergangenheit findet naturgemäß in der Gegenwart statt; zudem liegt ein zweiter Schwerpunkt des Buches auf der Geschichte des Sohnes Malcolm.
Eine tolle Idee, den Kindern die eigene Lebensgeschichte in Briefform zu hinterlassen? Ja, eine wunderbare Idee, dachte ich zunächst, doch nach der Lektüre des Buches muss ich sagen: Nein, eine bescheuerte Idee – zumindest, wenn die Briefe wie in diesem Fall Enthüllungen enthalten, die so viele Fragen aufwerfen und Ungewissheiten verursachen und ein Leben verändern können. Es muss ein Albtraum für ein Kind sein, nach dem Tod der Eltern auf ein Familiengeheimnis dieser Tragweite gestoßen zu werden, zu dem einem niemand mehr Erkärungen liefern und Fragen beantworten kann, um den Schmerz und das Entsetzen zu lindern. Besser nimmt man Geheimnisse dieser Art mit ins Grab, als seine Kinder damit allein zu lassen.
Abgesehen von den Briefen, die sich um besagtes Familiengeheimnis drehen, gibt es natürlich noch eine Reihe weiterer Schreiben von Jack, die Liebeserklärungen in verschiedenster Gestalt enthalten, Erlebnisse mit den Kindern aufarbeiten, Berichte zum Zeitgeschehen liefern und gemeinsame Unternehmungen der Eheleute schildern. Diese sind teils humorvoll, teils sehr gefühlvoll, teils aber auch vollkommen belanglos. Dass nicht jeder von Jacks im Laufe vieler Jahre geschriebener Briefe gehaltvoll sein kann, ist nur natürlich – da sie aber ohnehin sehr selektiv gezeigt werden, ist die Auswahl solch unbedeutender Episoden unverständlich. Darüber hinaus ist es dem Aufbau der Geschichte nicht zuträglich, dass die Mittwochsbriefe, die einen Zeitraum von mehreren Jahrzehnten umfassen, unsortiert präsentiert werden und damit thematisch extrem springen. Dadurch löst sich die aufgebauten Spannung immer wieder in Nichts auf. Auch erzählerisch krankt es an manchen Stellen, etwa beim Bericht über Laurels und Jacks Einschleichen bei Elvis und Priscilla Presley in Graceland. Jack arbeitet diesen gemeinsamen Tag in einem seiner Briefe an seiner Frau auf, erklärt in allen Einzelheiten, wie sich alles abgespielt hat – als wäre sie nicht dabei gewesen. War sie aber, und Jacks vorweggeschickte Begründung, er schreibe diesen Brief so detailliert, damit sie später ihre Erinnerungslücken füllen können, ist alles andere als glaubwürdig und stimmig.
Die gegenwärtige Geschichte dreht sich zu weiten Teilen um Sohn Malcolm, der schwierig und aggressiv ist, immer noch seiner Jugendliebe Rain nachtrauert und alles andere als charakterlich gefestigt erscheint. Dass ausgerechnet der unsichere Malcolm von den Enthüllungen in den Briefen betroffen ist, ist nur logisch; seine Reaktion darauf erscheint dennoch überzogen. Überhaupt sind eigentlich die meisten aktuellen Entwicklungen rund um die ganze Familie inklusive der Auflösung des Familiengeheimnisses einfach eine Nummer zu dick aufgetragen: Da taucht der ehemals alkoholkrankte Bruder des Verstorbenen mit einer tränenrührenden Geschichte im Gepäck wieder auf und wird umgehend in die Familie integriert, ein Verschwörer und ein Hüter eines langjährigen Geheimnisses müssen endlich ihr Gewissen erleichtern und am Ende finden alle unvermittelt ihr Glück. Das war selbst mir als heilloser Romantikerin zu viel von »Alles ist gut«. Ebenfalls zu viel war mir die Bedeutsamkeit und Allgegenwärtigkeit Gottes: Gott hat es so gewollt, Gott gibt die Kraft, alles zu ertragen und verzeihen, Gott wird es schon richten, Gott schenkt uns das ewige Leben und im Himmel werden wir uns alle wiedersehen und für immer zusammen und glücklich sein. Mit dieser Art von Religiosität, mehr oder weniger deutlich vorgetragen, kann ich wenig anfangen.
Eine Erwähnung wert ist noch der zweite Epiolog: ein »handschriftlicher« Brief, der in einem hinten im Buch eingeklebten Kuvert steckt. Sehr hübsch und sehr passend – aber inhaltlich eine Enttäuschung. Der Brief von Malcolm an seine Frau ist kitschig, unnötig theatralisch, bringt nichts Neues oder Überraschendes und ist damit mehr als verzichtbar. Wieder einmal hat es der Autor verpasst, etwas Großes aus einer tollen Idee zu machen.
Fazit:
8/15 – Das Buch hat mich zwar von Beginn an in seinen Bann geschlagen, aber dennoch enttäuscht zurückgelassen. Es ist stellenweise sehr aufwühlend, rührend und trotz aller Kritikpunkte unterhaltsam, aber es fehlt ihm die Tiefe. Am Ende hatte ich das Gefühl, dass man die wunderbare Idee viel, viel besser hätte umsetzen können, und dass das große Potenzial zu weiten Teilen ungenutzt blieb, weil zu sehr auf Kitsch und überhöhte Dramatik gesetzt wurde.
Inhalt:
Samantha, eine junge, höchst erfolgreiche Londoner Anwältin, geht völlig in ihrer Arbeit auf. Bis sie eines Tages entdeckt, dass ihr ein folgenschwerer Fehler unterlaufen ist. In Panik verlässt sie das Büro und steigt in den nächstbesten Zug, der sie auf das platte englische Land bringt. Als sie nach dem Weg fragen will, kommt es zu einer folgenschweren Verwechslung: Man hält Samantha für die Bewerberin um einen Job als Haushaltshilfe. Völlig überrumpelt lässt Samantha sich einstellen, obwohl sie von Hausarbeit nicht die geringste Ahnung hat. Ein Glück, dass ein junger Gärtner bereit ist, ihr hilfreich zur Seite zu stehen …
Kommentar:
Wie konnte diese Autorin nur so lange quasi unbemerkt bzw. ungelesen an mir vorüber gehen? Ich hab keine Ahnung, bin aber sehr froh, dass die Zeiten jetzt vorbei sind! Schon auf der ersten Seite musste ich laut lachen, als die gestresste Anwältin einen Fragebogen zu ihrem Leben ausfüllt, der ihren angespannten Zustand offenbart. Doch nicht nur ein völlig missglückter Besuch im Beauty-Center, bei dem sich Sam nicht im geringsten entspannen kann, sondern auch diverse Szenen mit ihren Anwaltskollegen und ihrer Nachbarin machen ihre Gemütslage, ihre Familien- und Freundesituation und ihre hausfraulichen Fähigkeiten offenbar. Freizeit und Lebensfreude kennt Sam nicht; ihre Prioriäten liegen klar auf der Arbeit und der Erreichung ihres Ziels, Seniorpartnerin in der Kanzlei zu werden – und das ist auch völlig in Ordnung für sie, denn sie kennt es nicht anders und ist vom Ehrgeiz getrieben. Als ihr Leben aufgrund ihres fatalen Fehlers allerdings einstürzt wie ein Kartenhaus, steht sie vor dem Nichts – ihre kopflose Flucht aus der Stadt ist nachvollziehbar.
Ziemlich unwahrscheinlich sind natürlich die Umstände ihrer Einstellung als Hausmädchen und das Ausmaß ihrer Unfähigkeit. Selbst Leute, die nie gekocht, geputzt, gebügelt und genäht haben, dürften unter Aufbietung ihres gesunden Menschenverstands wenigstens ein gewisses Grundverständnis dieser Arbeiten an den Tag legen – zumal, wenn sie wie Samantha über einen IQ von 158 verfügen. Das stört aber nicht wirklich, denn die aberwitzigen Situationen, in denen sich Sams Improvisationstalent und Charme zeigen, sorgen für jede Menge Spaß – und manchmal auch für ein wenig sprachloses Entsetzen. Nachdem die ersten Katastophen überstanden sind und Samantha Haushalts- und Kochnachhilfe von der Mutter des attraktiven Gärtners erhält, setzt ihr eigentlicher Entwicklungsprozess ein: Sie beginnt, sich zu verändern, verliebt sich und lernt, die Freuden des Lebens und die Zeit zu genießen und zu schätzen. Doch kaum ist ihr klar geworden, was sie in den letzten Jahren alles verpasst hat, steht es ihr infolge einer mehr als überraschenden und schmerzhaften Entdeckung plötzlich offen, doch wieder in ihr altes Leben zurückzukehren und den Lohn für die Arbeit der letzten Jahre abzukassiern – eine Möglichkeit, aus der das Buch gegen Ende noch mal Spannung bezieht, weil Samantha die Freiheit der Wahl zwischen zwei sehr unterschiedlichen Leben hat.
Das Buch wimmelt von grandiosen Figuren, die trotz aller Überzeichnung und Klischees aus dem Leben gegriffen scheinen. Das gilt für die Protagonistin Samantha ebenso wie für den hinreißenden Gärtner Nathaniel, seine warmherzige, verständnisvolle Mutter und für alle Anwälte. Selbst die Geigers, bei denen Samantha als Haushälterin anfängt, sind genau so, wie man sich ein Ehepaar vorstellen würde, das aus der Unter- bzw. Arbeiterschicht kommt und sich mit den eigenen Händen großen Reichtum erarbeitet hat: Sie sind ein bisschen naiv, gutgläubig und trampelig, aber sehr liebenswert, hilfsbereit und loyal. Immer wieder wird deutlich, dass sie – was ihren Hintergrund angeht – eigentlich einfache Leute sind, die überhaupt nicht in die (zumeist) versnobte High Society passen, aber gerne dazu gehören würden. Die beiden haben großartige Auftritte und vor allem Mrs. Geiger liefert Samantha zahlreiche Stichworte für ihre trockenen Kommentare und ist mit ihren Forderungen und Fragen Auslöser für die eine oder andere Panikattacke der Protagonistin.
Natürlich ist das Buch nicht realistisch, sondern – zumindest zum Teil – hoffnungslos überzogen, doch bekanntermaßen ist Übertreibung ja ein effektives Stilmittel, insofern tut das dem Spaß keine Abbruch. Und Spaß hat man jede Menge, zumal die Ereignisse so viel Wahrheit und gleichzeitig Situationskomik bergen. Unterstützt wird der amüsante Inhalt durch die leichte, teils flapsige Sprache, die sich extrem gut und flüssig liest und erfreulicherweise nie ins Ordinäre abgleitet.
Fazit:
15/15 – Ein wundervolles Buch, das einen von der ersten bis zur letzten Seite bestens unterhält und das bei aller Komik auch sehr gefühlvolle Szenen und einen durchaus ernstzunehmenden Hintergrund hat.
Inhalt:
Karo lebt schnell und flexibel. Sie ist das Musterexemplar unserer Zeit: intelligent, liebenswert und aggressiv, überdreht und traurig. Als sie ihren Job verliert, ein paar falsche Freunde aussortiert und ihre Beziehung (mehr oder weniger) beendet, verliert sie auf einmal den Boden unter den Füßen. Plötzlich ist die Angst da. Als auch die cleversten Selbsttäuschungen nicht mehr helfen, tritt sie verzweifelt und mit wütendem Humor ihrer Depression entgegen.
Kommentar:
Wie man sich doch täuschen kann! Dieses Buch, das mich zunächst nicht so recht zu packen vermochte, hat sich einem meiner absoluten Jahreshighlights entwickelt – zumal mir Karo gar nicht so fern ist, wie ich zunächst dachte; ganz im Gegenteil. Ich schätze, in uns allen steckt ein bisschen Karo.
Viele Worte mag ich zu »Mängelexemplar« gar nicht verlieren, da mich das Buch zu sehr gepackt hat, um es jetzt in seine Einzelteile zu zerpflücken. »Mackenkind« Karo auf ihrem holprigen Weg aus der Depression zu begleiten, ihre Lichtblicke, Hoffnungen und Rückschläge sowie den bedingungslosen und warmherzigen Beistand ihrer Freunde bzw. ihrer Mutter mitzuerleben, hat mich selbst in ein wahres Gefühlschaos gestürzt. Gepaart mit Karos trockenen Kommentaren und oft so treffenden Beobachtungen, den gelungenen Dialogen und dem Wortwitz inklusive der einer Vielzahl wundervoller Neologismen, haben mich die Schilderungen immer wieder zum Lachen und auch zum Weinen gebracht – und außerdem den Drang in mir hervorgerufen, jemandem laut aus diesem Buch vorzulesen. Ich hab den Gedanken verworfen, weil es einfach zu viel geworden wäre, und stattdessen weitergelesen und mitgelitten und am Ende die Nähe meines persönlichen Felsens in der Brandung gesucht (an den mich Max ganz frappierend erinnert hat!).
Fazit:
15/15 – Ein Buch am Zahn der Zeit, das ein ernstes, zunehmend aktuell werdendes Thema emotional, aber dennoch locker-flockig-amüsant und leicht konsumierbar in moderne Sprache verpackt. Ich halte es für absolut empfehlenswert, auch wenn ich glaube, dass es die Leserschaft spalten wird!
Inhalt:
1731, in den Wäldern Serbiens: Für eine Handvoll Gold wird das Mädchen Jasna von ihrem Vater an einen reichen Gutsbesitzer verkauft. Der rätselhafte Fremde nimmt das Mädchen mit auf seinen Hof an der Grenze zum Osmanischen Reich. Dort wird Jasna mit seinem Sohn Danilo verheiratet. Schnell stellt die junge Braut fest, dass ein schrecklicher Fluch auf der Familie lastet. Gibt es in Danilos Familie wirklich einen Vampir, wie im Dorf gemunkelt wird? Während sich die mysteriösen Vorkommnisse häufen, gerät Jasna in den Bann des faszinierenden Duschan. Aber auch er hat ein dunkles Geheimnis …
Kommentar:
Wie das Nachwort offenbart, orientiert sich die Autorin hier an einer wahren Geschichte, die entsprechend an die Romanhandlung angepasst wurde. Insofern legt das Buch, das m.E. sehr sorgfältig recherchiert ist, ein wirklich interessantes Zeugnis über Leben und Tod, Glaube und Aberglaube, Sitten und Bräuche in (Süd-)Osteuropa im 18. Jahrhundert ab.
Bei aller Authentizität erzählt »Die Totenbraut« nur leider keine schöne und – was viel entscheidender ist – auch keine besonders fesselnde Geschichte. Es herrscht vom Anfang bis zum (überflüssig) fantastischen Ende einfach nur Düsternis und Trostlosigkeit, und die immer neuen Fragen und Rätsel, die im Verlauf der Handlung auftauchen und nach und nach geklärt werden – Gibt es einen Vampir und falls ja, wer ist er? Welche Rolle spielt Nema? Woran sterben die Menschen im Dorf? Wer befiehlt den Wolf? Welches Geheimnis verbirgt Dusan? –, sind für einen Unterhaltungsroman einfach zu distanziert und nüchtern aufbereitet. Wahrscheinlich wollte vor allem deshalb zu keiner Zeit eine gruselige Atmosphäre oder echte Spannung aufkommen. Hinzu kommt, dass »Totenbraut« über weite Strecken wie ein Bericht anmutet, denn abgesehen von einigen fast poetischen wirkenden Passagen ist auch die Sprache nüchtern und emotionslos und unterstreicht somit die relativ trockene Aufbereitung des Stoffes.
Die leblosen, in ihrem Schicksal erstarrt wirkenden und wenig sympathischen Figuren passen da zwar gut ins Bild, tragen aber natürlich nicht gerade dazu bei, den Leser an die Geschichte zu binden – zumal Jasna aufgrund ihrer Halsstarrigkeit und Naivität eine ziemlich anstrengende Protagonistin mit hohem Nervpotenzial ist. Doch auch abgesehen von Jasna taucht im gesamten Buch keine einzige Figur auf, der ich einen glücklichen Ausgang der Geschichte gewünscht hätte; ihrer aller Schicksal war mir vollkommen gleichgültig. Möglicherweise ist das von der Autorin so beabsichtigt, um die Distanz zu dieser im Kern wahren und unerfreulichen Geschichte mit all den Toten zu wahren – mir fehlt aber schlicht und ergreifend eine Art »Bezugsfigur«, die irgendwelche Emotionen in mir weckt – sei es positiver oder negativer Art.
Wertung:
7/15 – Die historischen Begebenheiten rund um den osteuropäischen Volksglauben sind wirklich interessant, allerdings ist mir die Geschichte als Unterhaltungsroman zu wenig fesselnd und mitreißend erzählt. Ehrlicherweise sollte ich aber erwähnen, dass ich ohnehin kein großer Fan von historischen Romanen bin und dass das Buch, das ich Anfang August bei strahlendem Sonnenschien gelesen habe, mit all seiner Düsternis und Trostlosigkeit vielleicht auch nicht gerade eine passende Hochsommerlektüre war.
Inhalt:
Claire Truman könnte die ganze Welt umarmen: Der hinreißende und dazu äußerst wohlhabende Randall Cox hat sich in sie verliebt, ihr Job macht ihr Spaß, und dann bekommt sie auch noch die Gelegenheit, einen großen Karrieresprung zu machen: von ihrem kleine Verlag zu der Besteller-Schmiede der so genialen wie glamourösen New Yorker Verlegerin Vivian Grant. Claire stürzt sich voller Enthusiasmus in ihren neuen Job. Bis sie erkennt, dass sie in der reinsten Schlangengrube gelandet ist …
Kommentar:
Ich kenne zwar »Der Teufel trägt Prada« selbst nicht, »Teufel in High Heels« ist aber scheinbar – wie ja auch der deutsche Titel schon andeutet – ein Abklatsch davon. Und zwar ein schlechter, der nicht im Geringsten komisch, sondern einfach nur langweilig ist. Ich hab das Buch vor allem deshalb vom Flohmarkt mitgenommen, weil es in der Verlagsbranche angesiedelt, es könnte aber ebenso gut in jeder anderen Branche spielen, übers Büchermachen und die Vorgänge in einem Verlag erfährt man nämlich überhaupt nichts. Ohne jeden Pep, Witz, Sarkasmus und ohne jede Emotion wird erzählt, wie eine psychotische, cholerische Chefin ihre Angestellten tyrannisiert, indem sie sie mit Unmengen nicht zu bewältigender Arbeit eindeckt und mit ebenso vielen Demütigungen quält.
Hauptperson Claire, von der man zunächst die Hoffnung hatte, sie würde der Verlegerin die Stirn bieten, ist eine durch und durch naive Person. Als sie das Jobangebot von Vivian Grant erhält, sind alle ihre Kollegen zutiefst entsetzt, weil Vivian ein in der Branche gefürchtetes und verrufenes Biest ist. Claire schlägt aber natürlich alle Warnungen in den Wind, weil sie der Meinung ist, so schlimm könne es ja gar nicht sein, dass man es nicht mal ein Jahr dort aushalten könnte, um der Karriere einen Schub zu verpassen. Zunächst scheint Vivian, die alle anderen Angestellten in den Wahnsinn treibt, auch große Stücke auf Claire und ihre Ideen zu halten, doch damit ist es bald vorbei. Interessanterweise trifft diese neue Phase Claire trotz aller Warnungen und Beobachtungen wie aus heiterem Himmel; sie ist völlig fassungslos und zutiefst gekränkt, angebrüllt worden zu sein und verfällt in eine Lebens- und Sinnkrise. Man fragt sich ja schon, wie ein halbwegs intelligenter Mensch ernsthaft glauben konnte, dauerhaft besser behandelt zu werden als die anderen, aber das ist halt Claire. Claire kapiert offenbar auch überhaupt nicht, für was für einen Verlag sie da arbeitet: Obwohl die erfolgreichsten Bücher des Hauses reißerische Titel sind, schleppt Claire immer wieder literarisch wertvolle, anspruchsvolle Manuskripte an und wundert sich, wieso ihre Chefin die nicht toll findet und ihr zusammen mit wüsten Beschimpfungen um die Ohren haut.
Vivian Grant, die Gegenspielerin, ist so dermaßen eindimensional böse und ordinär, dass sie total langweilig und berechenbar ist. Man fragt sich, wieso eigentlich überhaupt irgendjemanden mit gesundem Menschenverstand unter diesen Bedingungen für sie arbeitet; hätte sie irgendwelche guten oder charmanten Seiten, könnte man das ja vielleicht irgendwie verstehen, aber da sie ausschließlich tobt, wütet und ihren Angestellten den letzten Nerv raubt, fragt man sich, was die Lektoren da eigentlich hält, bis sie rausgeschmissen werden. Vielleicht gefällt es ihnen in der quasi verlagseigenen Vivian-Grant-Selbsthilfegruppe.
So nebenbei findet auch noch eine Art Lovestory statt; Claire kommt nämlich mit ihrem Jugendschwarm zusammen, der sie »Claire-Bär« nennt (was für mich schon ein Trennungsgrund wäre). Sie sieht ihn zwar selten, weil sie beide einen so anstrengenden Job haben, beschließen aber trotzdem zu heiraten. Die ganze Entwicklung passiert aber eher nebenbei und wird völlig unemotional zwischen Vivians Tobsuchtsanfällen geschildert. Dazu passt, dass die Hochzeit unter keinem guten Stern steht.
Wertung:
5/15 – Nicht richtig schlecht, aber einfach langweilig.
Inhalt:
»Ich heiße Renée. Ich bin vierundfünfzig Jahre alt. Seit siebenundzwanzig Jahren bin ich Concierge in der Rue de Grenelle 7, einem schönen herrschaftlichen Stadthaus mit Innenhof. Ich bin Witwe, klein, hässlich, mollig, ich habe Hühneraugen und in gewissen Morgenstunden einen Mundgeruch wie ein Mammut. Doch vor allem entspreche ich so genau dem Bild, das man sich von den Conciergen macht, dass niemand auf die Idee käme, ich könnte gebildeter sein als all diese selbstgefälligen Reichen.«
»Ich heiße Paloma, bin zwölf Jahre alt, ich wohne in der Rue de Grenelle 7 in einer Wohnung für Reiche. Meine Eltern sind reich, meine Familie ist reich, und meine Schwester und ich sind folglich potenziell reich. Doch ich weiß schon lange, dass die Endstation das Goldfischglas ist, die Leere und der Unsinn des Erwachsenenlebens. Warum ich das weiß? Der Zufall will, dass ich sehr intelligent bin. Daher habe ich meinen Entschluss gefasst. Am Ende dieses Schuljahres, an meinem dreizehnten Geburtstag, werde ich Selbstmord begehen.«
Kommentar:
Meinen ersten nicht sehr positiven Eindruck muss ich nach Beendigung des Buchs zumindest zum Teil revidieren. Der Einstieg ist wahrhaft schwierig, doch mit Einzug des Japaners Ozu in die Rue de Grenelle 7 kommt zumindest etwas Leben in die Handlung – und in die Hauptfiguren, die sich zuvor im Wesentlich innerhalb ihrer Geisteskonstrukte abseits der Realität bzw. auf der Flucht vor der Realität zu bewegen schienen.
Doch trotzdem: Das Buch ist merkwürdig, so merkwürdig und widersprüchlich wie seine Figuren – irgendwo zwischen unerträglich und faszinierend, langweilig und mitreißend. Die Handlung ist eigentlich über weite Strecken nebensächlich, es geht in diesem Buch um das Leben und alltägliche Situationen, die ausreichend Anlass für die Betrachtungen durch zwei hochintelligente Außenseiter liefern. Deren Gedanken und Ausführungen sind teils ausschweifend, fürchterlich ermüdend und oft schwer fassbar, besonders dann, wenn sie sich mit philosophisch-metaphysischen Themen und den schönen Künsten befassen. Die Schilderung alltäglicher Situationen und Gespräche sowie die trockenen, mitunter zynischen Kommentare dazu sind hingegen vielfach großartig und wiegen die abgehobeneren Passagen wieder auf. Trotzdem hatte ich oft den Eindruck, Barbery liefert einen Tick zu viel des Guten, die paar Ausführungen mehr, die nicht nötig wären und das Buch nicht besser machen – im Gegenteil.
Und dann das Ende … Für meine Begriffe ist diese Auflösung überflüssig, ärgerlich und unpassend, weil es dem Handlungsverlauf und Renées Entwicklung zuwider läuft und die Hoffnung nimmt, die das Buch zuvor gemacht hat. Denn was ist denn die Moral von der Geschicht: Anhaltendes Glück gibt es nicht? Man könnte fast meinen, selbst der Autorin sei die Beziehung zwischen Renée und Ozu mit all ihren Veränderungen zu einfach und zu glatt über die Bühne gegangen, weshalb sie ein solches Ende brauchte, um das Buch vor dem Makel des Kitschs zu bewahren.
Fazit:
8/15 – Ein Werk mit absoluten Höhen und Tiefen, die sich gegenseitig aufwiegen und am Ende zu einer durchschnittlichen Wertung führen. Ich empfehle die Lektüre trotzdem, denn trotz aller Abstriche sind viele der Passagen und Gedanken einfach wunderschön, erhellend, erheiternd und lesenswert.
Inhalt:
Niklas glaubt, der Dreisatz wäre eine olympische Disziplin. Latoya kennt drei skandinavische Länder: Schweden, Holland und Nordpol. Und Tamara-Michelle hält den Bundestag für einen Feiertag. Einzelfälle? Mitnichten. Eine ganze Generation scheint zu verblöden. Der Staatsanwalt von nebenan erzieht seine Kinder mit der Spielkonsole. Germanistikstudenten sind der deutschen Sprache nicht mehr mächtig. Eine Karriere als Popstar erscheint dem Bäckerlehrling verlockender als eine solide Ausbildung. Wie dumm ist diese Generation wirklich? Anne Weiss und Stefan Bonner müssen es wissen. Denn sie gehören dazu.
Kommentar:
Eigentlich mag ich ja solche Bücher, doch nachdem »Generation Doof« innerhalb kurzer Zeit viele negative Kritiken erhalten hat, hab ich zunächst die Finger davon gelassen. Inzwischen hab ichs auf dem Flohmarkt für nen Euro ergattert und kann nur sagen: Selbst der eine Euro war zu viel, denn die schlechten Rezensionen sind völlig berechtigt.
Der Unsinn fängt schon damit an, dass die »Generation Doof« eine Altersspanne von 30 Jahren umfasst und die heute Fünzehn– bis Fünfundvierzigjährigen meint. Man erkläre mir bitte, was die Angehörigen des oberen und unteren Endes der Skala miteinaner gemeinsam haben? Ach ja, die Autoren erkären es ja, sie sind alle gleich doof, wie konnte ich es vergessen! Dass die Autoren möglichst viele Leute »abholen« und somit die größtmögliche Zielgruppe erschließen wollten, hat ganz sicher nichts damit zu tun!
Weit schlimmer als diese sinnfreie Generationseinteilung ist aber die Aufbereitung der Inhalte, die einem andauernden Lamento über die heutige Gesellschaft und den Werteverfall gleicht. Das Buch ist nämlich leider mitnichten witzig, sondern stellt ohne jeden Sarkasmus permanent die Blödheit und Unfähigkeit der kompletten »Generation Doof« dar, die stolz drauf ist, idiotisch zu sein, nichts zu wissen, nichts wissen zu wollen und keine Manieren zu haben, die nicht alt werden und sich nicht anpassen will, die zu viel Alkohol trinkt und zu viel Sex hat. Böse Menschen gibts!
Man fragt sich, wie wir überleben sollen, wo wir doch nicht mal mehr in der Lage sind, eine Fertigpizza unfallfrei im Ofen fertigzubacken. Da gerät bei uns 15–45-Jährigen nämlich das Backpapier in Brand, und weil wir Alkis so doof (alternativ: dauerbesoffen) sind, versuchen wir, das offene Feuer mit Whisky zu löschen, weil wir gerade ein Glas mit nem Drink in der Hand haben. Schließlich haben wir irgendwo aufgeschnappt, dass man Feuer mit Flüssigkeit bekämpft. Wir sind dumm, wie gesagt, aber stolz drauf. Haha. Okay, vielleicht könnte ich über solche Episoden sogar lachen, wenn sie denn witzig, ironisch, mit einem Augenzwinkern und/oder einfach nur unterhaltsam erzählt wären; sind sie aber eben nicht, nicht mal im Ansatz. Die Begegebenheiten und Belege für die Dummheit der »Generation Doof« sinid einfach nur pfurztrocken dargestellt und nerven, weshalb ich das Buch abgebrochen habe.
Wertung:
1/15 – Doof sind hier in erster Linie die Autoren, die es geschafft haben, das Thema komplett humorfrei aufzubereiten. Zum Ausgleich haben sie direkt ein weiteres Buch zum Thema nachgeschoben, ein Praxis-Handbuch, das den Rezensionen nach nicht besser ist – was natürlich keine große Überraschung darstellt!
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