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Jason F. Wright: Die Mittwochsbriefe

OT: The Wednesday Letters

Inhalt:
Innerhalb einer einzigen schicksalsschweren Nacht sterben Jack und Laurel, die seit fast vierzig Jahren glücklich verheiratet waren. Schweren Herzens finden sich ihre drei Kinder zusammen, um die Begräbnisfeierlichkeiten zu organisieren. Jeder hat sein eigenes Problem im Gepäck: Matthews Ehe ist ungewollt kinderlos und entsprechend angespannt. Samantha wiederum ist bereits geschieden und muss sich als alleinerziehende Mutter durchkämpfen. Und Malcolm ist um seiner Jugendliebe willen mit dem Gesetz in Konflikt geraten und bereits vor Jahren in Brasilien untergetaucht.

Im Keller ihres Elternhauses stoßen die drei unvermutet auf einen Schatz: kistenweise Briefe des Vaters an die Mutter, die er ihr jahrzehntelang jeden Mittwoch geschrieben hat. Sie bieten wunderbar romantische Liebeserklärungen an seine Frau und zugleich eine rührende Geschichte der Familie. Die Lektüre ist zunächst enorm tröstlich. Doch dann taucht ein Brief auf, der die Familie in ihren Grundfesten erschüttert und eines der Kinder in den Abgrund zu stoßen droht.

Kommentar:
Dreh- und Angelpunkt der Geschichte sind die Briefe von Laurel und Jack Cooper, die ihre Kinder im Keller finden, als sie zur Beerdigung in der Frühstückspension ihrer Eltern zusammentreffen; sie sind Aufhänger, um die Familiengeschichte der Coopers zu erzählen. Die eigentlichen Briefe nehmen dabei allerdings weit weniger Raum ein als erwartet, denn die Aufarbeitung der Inhalte und der Vergangenheit findet naturgemäß in der Gegenwart statt; zudem liegt ein zweiter Schwerpunkt des Buches auf der Geschichte des Sohnes Malcolm.

Eine tolle Idee, den Kindern die eigene Lebensgeschichte in Briefform zu hinterlassen? Ja, eine wunderbare Idee, dachte ich zunächst, doch nach der Lektüre des Buches muss ich sagen: Nein, eine bescheuerte Idee – zumindest, wenn die Briefe wie in diesem Fall Enthüllungen enthalten, die so viele Fragen aufwerfen und Ungewissheiten verursachen und ein Leben verändern können. Es muss ein Albtraum für ein Kind sein, nach dem Tod der Eltern auf ein Familiengeheimnis dieser Tragweite gestoßen zu werden, zu dem einem niemand mehr Erkärungen liefern und Fragen beantworten kann, um den Schmerz und das Entsetzen zu lindern. Besser nimmt man Geheimnisse dieser Art mit ins Grab, als seine Kinder damit allein zu lassen.

Abgesehen von den Briefen, die sich um besagtes Familiengeheimnis drehen, gibt es natürlich noch eine Reihe weiterer Schreiben von Jack, die Liebeserklärungen in verschiedenster Gestalt enthalten, Erlebnisse mit den Kindern aufarbeiten, Berichte zum Zeitgeschehen liefern und gemeinsame Unternehmungen der Eheleute schildern. Diese sind teils humorvoll, teils sehr gefühlvoll, teils aber auch vollkommen belanglos. Dass nicht jeder von Jacks im Laufe vieler Jahre geschriebener Briefe gehaltvoll sein kann, ist nur natürlich – da sie aber ohnehin sehr selektiv gezeigt werden, ist die Auswahl solch unbedeutender Episoden unverständlich. Darüber hinaus ist es dem Aufbau der Geschichte nicht zuträglich, dass die Mittwochsbriefe, die einen Zeitraum von mehreren Jahrzehnten umfassen, unsortiert präsentiert werden und damit thematisch extrem springen. Dadurch löst sich die aufgebauten Spannung immer wieder in Nichts auf. Auch erzählerisch krankt es an manchen Stellen, etwa beim Bericht über Laurels und Jacks Einschleichen bei Elvis und Priscilla Presley in Graceland. Jack arbeitet diesen gemeinsamen Tag in einem seiner Briefe an seiner Frau auf, erklärt in allen Einzelheiten, wie sich alles abgespielt hat – als wäre sie nicht dabei gewesen. War sie aber, und Jacks vorweggeschickte Begründung, er schreibe diesen Brief so detailliert, damit sie später ihre Erinnerungslücken füllen können, ist alles andere als glaubwürdig und stimmig.

Die gegenwärtige Geschichte dreht sich zu weiten Teilen um Sohn Malcolm, der schwierig und aggressiv ist, immer noch seiner Jugendliebe Rain nachtrauert und alles andere als charakterlich gefestigt erscheint. Dass ausgerechnet der unsichere Malcolm von den Enthüllungen in den Briefen betroffen ist, ist nur logisch; seine Reaktion darauf erscheint dennoch überzogen. Überhaupt sind eigentlich die meisten aktuellen Entwicklungen rund um die ganze Familie inklusive der Auflösung des Familiengeheimnisses einfach eine Nummer zu dick aufgetragen: Da taucht der ehemals alkoholkrankte Bruder des Verstorbenen mit einer tränenrührenden Geschichte im Gepäck wieder auf und wird umgehend in die Familie integriert, ein Verschwörer und ein Hüter eines langjährigen Geheimnisses müssen endlich ihr Gewissen erleichtern und am Ende finden alle unvermittelt ihr Glück. Das war selbst mir als heilloser Romantikerin zu viel von »Alles ist gut«. Ebenfalls zu viel war mir die Bedeutsamkeit und Allgegenwärtigkeit Gottes: Gott hat es so gewollt, Gott gibt die Kraft, alles zu ertragen und verzeihen, Gott wird es schon richten, Gott schenkt uns das ewige Leben und im Himmel werden wir uns alle wiedersehen und für immer zusammen und glücklich sein. Mit dieser Art von Religiosität, mehr oder weniger deutlich vorgetragen, kann ich wenig anfangen.

Eine Erwähnung wert ist noch der zweite Epiolog: ein »handschriftlicher« Brief, der in einem hinten im Buch eingeklebten Kuvert steckt. Sehr hübsch und sehr passend – aber inhaltlich eine Enttäuschung. Der Brief von Malcolm an seine Frau ist kitschig, unnötig theatralisch, bringt nichts Neues oder Überraschendes und ist damit mehr als verzichtbar. Wieder einmal hat es der Autor verpasst, etwas Großes aus einer tollen Idee zu machen.

Fazit:
8/15 – Das Buch hat mich zwar von Beginn an in seinen Bann geschlagen, aber dennoch enttäuscht zurückgelassen. Es ist stellenweise sehr aufwühlend, rührend und trotz aller Kritikpunkte unterhaltsam, aber es fehlt ihm die Tiefe. Am Ende hatte ich das Gefühl, dass man die wunderbare Idee viel, viel besser hätte umsetzen können, und dass das große Potenzial zu weiten Teilen ungenutzt blieb, weil zu sehr auf Kitsch und überhöhte Dramatik gesetzt wurde.

1 Kommentar zu Jason F. Wright: Die Mittwochsbriefe

  • Lustig, ich hab das Buch gerade eben beendet. Will mich auch gleich an die Rezi machen, aber vorab kann ich schon mal sagen, dass ich dir in vielen Punkten Recht gebe.
    Meine Bewertung wird also ziemlich ähnlich ausfallen.

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