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Sophie Kinsella: Göttin in Gummistiefeln

Originaltitel: The Undomestic Goddess

Inhalt:
Samantha, eine junge, höchst erfolgreiche Londoner Anwältin, geht völlig in ihrer Arbeit auf. Bis sie eines Tages entdeckt, dass ihr ein folgenschwerer Fehler unterlaufen ist. In Panik verlässt sie das Büro und steigt in den nächstbesten Zug, der sie auf das platte englische Land bringt. Als sie nach dem Weg fragen will, kommt es zu einer folgenschweren Verwechslung: Man hält Samantha für die Bewerberin um einen Job als Haushaltshilfe. Völlig überrumpelt lässt Samantha sich einstellen, obwohl sie von Hausarbeit nicht die geringste Ahnung hat. Ein Glück, dass ein junger Gärtner bereit ist, ihr hilfreich zur Seite zu stehen …

Kommentar:
Wie konnte diese Autorin nur so lange quasi unbemerkt bzw. ungelesen an mir vorüber gehen? Ich hab keine Ahnung, bin aber sehr froh, dass die Zeiten jetzt vorbei sind! Schon auf der ersten Seite musste ich laut lachen, als die gestresste Anwältin einen Fragebogen zu ihrem Leben ausfüllt, der ihren angespannten Zustand offenbart. Doch nicht nur ein völlig missglückter Besuch im Beauty-Center, bei dem sich Sam nicht im geringsten entspannen kann, sondern auch diverse Szenen mit ihren Anwaltskollegen und ihrer Nachbarin machen ihre Gemütslage, ihre Familien- und Freundesituation und ihre hausfraulichen Fähigkeiten offenbar. Freizeit und Lebensfreude kennt Sam nicht; ihre Prioriäten liegen klar auf der Arbeit und der Erreichung ihres Ziels, Seniorpartnerin in der Kanzlei zu werden – und das ist auch völlig in Ordnung für sie, denn sie kennt es nicht anders und ist vom Ehrgeiz getrieben. Als ihr Leben aufgrund ihres fatalen Fehlers allerdings einstürzt wie ein Kartenhaus, steht sie vor dem Nichts – ihre kopflose Flucht aus der Stadt ist nachvollziehbar.

Ziemlich unwahrscheinlich sind natürlich die Umstände ihrer Einstellung als Hausmädchen und das Ausmaß ihrer Unfähigkeit. Selbst Leute, die nie gekocht, geputzt, gebügelt und genäht haben, dürften unter Aufbietung ihres gesunden Menschenverstands wenigstens ein gewisses Grundverständnis dieser Arbeiten an den Tag legen – zumal, wenn sie wie Samantha über einen IQ von 158 verfügen. Das stört aber nicht wirklich, denn die aberwitzigen Situationen, in denen sich Sams Improvisationstalent und Charme zeigen, sorgen für jede Menge Spaß – und manchmal auch für ein wenig sprachloses Entsetzen. Nachdem die ersten Katastophen überstanden sind und Samantha Haushalts- und Kochnachhilfe von der Mutter des attraktiven Gärtners erhält, setzt ihr eigentlicher Entwicklungsprozess ein: Sie beginnt, sich zu verändern, verliebt sich und lernt, die Freuden des Lebens und die Zeit zu genießen und zu schätzen. Doch kaum ist ihr klar geworden, was sie in den letzten Jahren alles verpasst hat, steht es ihr infolge einer mehr als überraschenden und schmerzhaften Entdeckung plötzlich offen, doch wieder in ihr altes Leben zurückzukehren und den Lohn für die Arbeit der letzten Jahre abzukassiern – eine Möglichkeit, aus der das Buch gegen Ende noch mal Spannung bezieht, weil Samantha die Freiheit der Wahl zwischen zwei sehr unterschiedlichen Leben hat.

Das Buch wimmelt von grandiosen Figuren, die trotz aller Überzeichnung und Klischees aus dem Leben gegriffen scheinen. Das gilt für die Protagonistin Samantha ebenso wie für den hinreißenden Gärtner Nathaniel, seine warmherzige, verständnisvolle Mutter und für alle Anwälte. Selbst die Geigers, bei denen Samantha als Haushälterin anfängt, sind genau so, wie man sich ein Ehepaar vorstellen würde, das aus der Unter- bzw. Arbeiterschicht kommt und sich mit den eigenen Händen großen Reichtum erarbeitet hat: Sie sind ein bisschen naiv, gutgläubig und trampelig, aber sehr liebenswert, hilfsbereit und loyal. Immer wieder wird deutlich, dass sie – was ihren Hintergrund angeht – eigentlich einfache Leute sind, die überhaupt nicht in die (zumeist) versnobte High Society passen, aber gerne dazu gehören würden. Die beiden haben großartige Auftritte und vor allem Mrs. Geiger liefert Samantha zahlreiche Stichworte für ihre trockenen Kommentare und ist mit ihren Forderungen und Fragen Auslöser für die eine oder andere Panikattacke der Protagonistin.

Natürlich ist das Buch nicht realistisch, sondern – zumindest zum Teil – hoffnungslos überzogen, doch bekanntermaßen ist Übertreibung ja ein effektives Stilmittel, insofern tut das dem Spaß keine Abbruch. Und Spaß hat man jede Menge, zumal die Ereignisse so viel Wahrheit und gleichzeitig Situationskomik bergen. Unterstützt wird der amüsante Inhalt durch die leichte, teils flapsige Sprache, die sich extrem gut und flüssig liest und erfreulicherweise nie ins Ordinäre abgleitet.

Fazit:
15/15 – Ein wundervolles Buch, das einen von der ersten bis zur letzten Seite bestens unterhält und das bei aller Komik auch sehr gefühlvolle Szenen und einen durchaus ernstzunehmenden Hintergrund hat.

7 Kommentare zu Sophie Kinsella: Göttin in Gummistiefeln

  • Wenn ein Buch so gut gemacht und geschrieben wurde, ist das mit der Realität eher zweitrangig *g*
    Ich mochte es auch sehr.

  • So unterschiedlich sind die Geschmäcker. Ich habe das Buch nicht zuende gelesen *g*

  • irina

    Oha, normalerweise liegen wir beide ja nicht so weit auseinander, Nefret. ;)

    Beweist aber mal wieder, dass es gerade bei Büchern, die von ihrem Humor leben, oft nur schwarz oder weiß gibt: Entweder der Humor liegt einem, dann findet man das Buch toll, oder er liegt einem nicht, dann schafft man es nicht bis zum Ende oder findet das Buch zumindest fürchterlich.

  • Es ist schon eine Weile her, dass ich das Buch gelesen habe. Am Humor lag es eher weniger, schließlich mag ich auch die anderen Bücher von Sophie Kinsella. Mir gefiel die Geschichte nicht sonderlich.

  • Dafür mochte ich Shopaholic nicht, einfach, weil mir die Prota nicht gefiel. Manchmal hat es also nicht unbedingt was mit der Schreibe an sich zu tun *g*

  • Freut mich, dass dir das Buch so gut gefallen hat! Dann kannst du dich jetzt ja an die anderen Kinsellas machen. ;)
    Ich persönlich mag die Stand-Alones sogar fast noch lieber als die Shopaholic-Reihe. Die sind zwar auch herrlich komisch, aber mit der Zeit ist mir Becky etwas auf die Nerven gegangen.

    LG,
    Nina

  • Ja, Becky ertrage ich auch nur, wenn ich viel Abstand zwischen den Büchern habe :-)

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