Nach einem kurzen Abstecher zu Aiden nach London, bei dem wir erfahren, dass Tinkerby zwar ein gänzlich unfähiger Kammerdiener ist, aber ein Herz aus Gold hat, dürfen wir dann auch schon einer Lehrstunde im Waldtauben tranchieren für Serafina beiwohnen.
Man muss das Schwert kraftvoll schwingen und den Rumpf von oben nach unten mit einem Streich aufschlitzen. Dann ist die heimtückische Tat schon fast vollbracht, und der hungrige Kämpfer kann den besiegten Gegner verspeisen.
Bei diesem Buch lernt man wirklich fürs Leben, ich werd beim nächsten Brathähnchen dran denken! *augenroll* Nun gut, mir bleibt diese Art von Humor verschlossen, Serafina ist aber soooooowas von begeistert und amüsiert, und sie fühlt sich soooo wohl in Raphaels Gegenwart, dass einem das Herz aufgeht. Und überhaupt ist der Unterricht soooo toll und soooo hilfreich, und weil Raffi ihr ständig Geschichten von Aiden erzählt, wandelt sich ihr Bild von ihm, denn sie weiß ja nun, welch schweres Leben er hatte.
Aiden musste in seiner Kindheit genauso einsam gewesen sein wie sie selbst, doch während sie in einer romantischen Traumwelt mit Märchenprinzen und weißen Schlössern Zuflucht gesucht hatte, hatte Aiden sich der Realität gestellt und sein Herz verhärtet, um den Lebenskampf bestehen zu können.
Dass dieses Gör immer alles so dramatisieren muss. Wenn die wüsste, dass Aiden seit seiner Kindheit von Titania träumt und sich für einen Ritter der Tafelrunde hält!
Anschließend werden wir, während Serafina das Messer schwingt und erfolglos gegen die Taube kämpft, schnell auf den Stand der Dinge gebracht: Die Dienstboten sind Serafinas Charme erlegen und folgen ihr blind, Elspeth braut immer noch ihre Mittelchen, Vater Delaware trinkt nicht mehr und schuftet stattdessen im Garten, Charlotte findet körperliche Arbeit für einen Marquis unangemessen, ist aber trotzdem besser drauf als zuvor, denn ihr wird von einem Angestellten mit einem der sagenhaften Heilmittel aus dem Hause Elsi der Schmerz wegmassiert.
Unterdessen trifft Aiden zuhause ein und ist ziemlich fassungslos über die zu Scherzen aufgelegte Dienerschaft und seinen im Rosengarten gärtnernden Vater, der nicht mal betrunken ist. Oh wunderbare, ach so liebenswerte Serafina, was hast du nur wieder für Wunder vollbracht! *anbet* Der Vater ist aber nicht nur nüchtern, sondern auch geläutert und ergeht sich in tausenden Entschuldigungen für sein früheres nachlässiges Verhalten. Aiden ist noch ein klein wenig unversöhnlich, als hinter ihm ein freudiger Ruf ertönt.
Als er sich umdrehte, sah er, dass eine Frau auf einer herrlichen braunen Stute über den Rasen galoppierte. Sie ritt ohne Sattel, ihre langen Haare flatterten im Wind, und sie winkte mit den Blumen, die sie in der Hand hielt.
Eine Frau mit wehendem Haar, die wegen Aidens Auftauchen einen Freudenschrei ausstößt und mit Blumen winkt? Huiuiui, wer mag das wohl sein? Serafina doch wohl kaum, die würde garantiert eher in Tränen des Entsetzes Ausbrechen bei seiner Rückkehr.
Sein Herz machte einen Freundensprung, als er Serafina erkannte, die an eine wilde Amazone erinnerte, und einen köstlichen Moment lang dachte er, sie würde ihm zuwinken.
Tut sie natürlich nicht, sie begrüßte stattdessen »Papa« mit überbordender Begeisterung. Immerhin kann sie sich die wunderschöne Waldnymphe trotz aller Bestürzung bei seinem Anblick zu einem gequälten Lächeln und Willkommensgruß durchringen. Aiden ist beleidigt und macht aus seinem Herzen mal wieder keine Mördergrube. Er nölt über ihre mangelnde Begeisterung angesichts seiner Rückkehr. Im Ausredenerfinden schlägt sich Serafina aber besser als erwartet.
»Oh, aber ich freue mich sehr, dich zu sehen. […] Ich wollte dich nur nicht auf diese Weise begrüßen.«
Öhm … wie sonst? Vielleicht in neckischer Pose auf dem Bett räkelnd? *händereib* *Spannung herbeired* Na gut, Aiden ist da realistischer als ich:
»Wie denn sonst? Vielleicht an der Haustür, mit der Axt in der Hand?«
Touché! *g* Wenn ich so recht drüber nachdenke, finde ich die Vorstellung eigentlich gar nicht so schlecht, dann hätte das Leid nämlich ein Ende. Aber natürlich ist uns das nicht vergönnt! Stattdessen verkündet die bekehrte Titania, dass sie sich bei Aiden entschuldigen muss.
»Entschuldigen?« Er überlegte, in welche Schwierigkeiten sie sich während seiner Abwesenheit gebracht haben könnte.
Naheliegender Gedanke, wie ich finde. Aber sie überrascht ihn schon wieder: Sie will, dass sie und Aiden Freunde werden. Aiden ist aber lernfähig; er weiß inzwischen, dass Vorsicht geboten ist und nach einer scharfsinnigen Analyse der Situation entschließt er sich, sich nicht zu früh zu freuen, sondern lieber noch mal nachzuhaken.
»Hast du dir auch schon überlegt, wie wir dabei vorgehen könnten?«, fragte er neugierig. Dass Serafinas Gehirn nicht irgendwelchen ausgetretenen logischen Pfaden folgte, hatte er längst begriffen, und so war er auf alles mögliche gefasst.
Serafina erweist sich ausnahmsweise mal als relativ gradlinig denkend, sie schlägt vor, Zeit miteinander zu verbringen. Überflüssig zu erwähnen, in welche Richtung Aidens Gedanken schweifen:
»Wie möchtest du diese Zeit denn verbringen?«, erkundigte er sich scheinheilig, während seine Fantasie ihm schon die herrlichsten Bilder vorgaukelte.
»Ich dachte, wir könnten vielleicht zusammen spazierengehen.«
Aiden überlegte, dass Spaziergänge zu zweit durchaus Gelegenheit zur Annäherung boten. […] »Ich gehe sehr gern spazieren. Was sonst noch?«
»Vielleicht könnten wir einander auch vorlesen«, schlug sie zögernd vor.
Weniger vielversprechend als Spaziergänge, dachte er, aber besser als nichts. »Ich hätte nichts dagegen. Ich liebe Bücher.«
Spazierengehen und Vorlesen – nun gut. Man darf gespannt sein. Jetzt hat Sera aber erst mal ne Überraschung für ihren Göttergatten und schleppt ihn zum Haus.
Im Sinne der Spannungssteigerung – dramaturgisch erstklassig! – hat aber erstmal die böse Charlotte einen ganz, ganz großen Auftritt. Als sie Aiden und Sera nicht mehr vom Fenster aus im Garten bespitzeln kann, weil die beiden ins Haus gehen, klärt uns die begnadete Profilerin erst mal wieder umfassend über Serafinas wahren Charakter auf: Sie tut jungfräulich-unschuldig und ahnungslos, ist aber in Wahrheit vollkommen berechnend … *rhabarberrhabarber* Kennen wir ja alles schon. Es gibt aber auch noch Dinge, die wir bis dato noch nicht wussten, zum Beispiel, dass Serafina jetzt auch noch die Herrschaft in Townsend an sich reißen will und die Dienstboten durch Lächeln und Gespräche verdirbt.
Und neuerdings maßte sie sich sogar an, beim Abendessen das Wort zu ergreifen, anstatt aufmerksam Charlottes Reden zu lauschen.
Mensch, Serafina, so geht das doch nicht! *Messer wetz*
Dessen nicht genug – sie ermutigte auch noch ihre Tante und ihren Schwiegervater, sich an der Konversation zu beteiligen, obwohl die beiden nichts als Torheiten von sich gaben.
Alsoooo … dass Charlotte davon angenervt ist, kann ich irgendwie verstehen. Da würde ich auch zu adäquaten Mitteln greifen.
Charlotte wusste sich jedoch zu wehren. Sie war dieser verschlagenen Person durchaus gewachsen und würde sie mit ihren eigenen Waffen schlagen. Seit Wochen war sie äußerst liebenswürdig zu ihrer Schwägerin, heuchelte Zuneigung und hatte sich sogar überreden lassen, das Öl auszuprobieren.
Durchtrieben, ich sags ja. Serafina hat schon ganz recht, sich im Schrank zu verstecken, wenn die Schlange im Rollstuhl heranrollert. Bevor weitere Rachepläne geschmiedet und mehr Gift gespritzt werden kann, ist aber erst mal Zeit für die Nachmittagsmassage. Und diese Massage bringt gleich mehrere skandalöse Einblicke ans Tageslicht!
Mit geschlossenen Augen stellte sie sich vor, es wären nicht Fredericks, sondern Raphaels Finger, die ihre verkrampften Muskeln massierten und sich langsam zur Taille vorarbeiteten.
Raffi, ja? Scheint ja ein echter Ladykiller zu sein, er nimmt es offenbar mühelos selbst mit den schwierigsten Exemplaren der weiblichen Spezies auf! Andererseits ist er nicht Charlottes einziges Begehr, wie sich schnell herausstellt, es kommt nämlich noch viel dicker.
Die Schmerzen […] hatten anderen – nie gekannten – Empfindungen Platz gemacht, angenehmen Empfindungen, die von ihrem Sonnengeflecht ausgingen und ihren ganzen Unterleib in Brand setzten. Sie wusste genau, dass es sündhafte Empfindungen waren, und doch war sie ihnen machtlos ausgesetzt. Was aber noch viel schlimmer war – in ihrer Fantasie malte sie sich aus, wie es wohl wäre, wenn Frederick die elementarsten Anstandsregeln verletzen würde.
Ich fall vom Glauben ab. Ein Dienstbote setzt ihr Sonnengeflecht in Brand. Oder so. *atemlos weiterverfolg*
Sie fragte sich unwillkürlich, was wohl geschehen würde, wenn sie ihre Beine spreizte und ihn auf diese Weise einlud, mit seinen geschickten Fingern in neue Regionen vorzudringen …
Doch zu ihrer großen Enttäuschung zog er den Rock wieder bis zu den Knöcheln herunter.
Tja – Zug abgefahren, würd ich sagen. Zumindest fürs erste; der sündige Masseur kommt ja sicher irgendwann wieder. Was lernen wir? Der Schein trügt: Die moralapostelige Charlotte hat es faustdick hinter den Ohren!
Während Charlotte Sklavin ihrer Lust ist, lässt Serafina von den Dienstboten ein Willkommensständchen für Aiden vortragen, das sie woooochenlang einstudiert haben. Aiden ist hingerissen, weil Titafina eine Stimme wie eine Nachtigall hat und überhaupt ist er sooo gerührt, dass er seiner geliebten Frau ein entsetzliches Angebot macht:
»Wenn du nicht das Bett mit mir teilen möchtest, Liebling, so habe ich volles Verständnis dafür. […] Ich weiß, dass dir die Idee, mit mir in einem Bett zu schlafen, von Anfang an nicht zugesagt hat, und ich hätte dich nie dazu zwingen sollen.«
Ist der denn von allen guten Geistern verlassen, der verklärte Trottel?! Wie sollen wir je zur Hochzeitsnacht kommen, wenn er sie jetzt aus dem gemeinsamen Bett entlässt, nachdem er sie erst so heldenhaft hineingehockt und das Brett in der Mitte abgewendet hat?!
Na ja, vielleicht isses auch Taktik. Falls ja, hat er sein Ziel erreicht: Serafina ist jetzt auch gerührt und kommt zu einer schicksalsträchtigen Erkenntnis.
»Vielleicht bist du doch kein solcher Schurke.«
Ooooooooooooooooooooh! Was dieses Mädchen doch für eine Menschenkenntnis besitzt! *bewunder*
»Trotzdem, Aiden … ich glaube, ich möchte doch lieber hierbleiben.«
Puh! Da können wir ja wieder aufatmen! Wenigstens eine hat hier noch ihren Verstand beisammen. Öhm … na ja. Einigermaßen wenigstens! Bis Aiden sie aufs Bett zieht – was verständlicherweise dann doch wieder ihr Misstrauen weckt.
»Warum hast du das gemacht?«
Psst, Serafina: Weil er sehr wohl ein Schurke ist. (Aber das nur unter uns.) Aiden hat natürlich ne andere Antwort: Er hat sie nur aufs Bett gezogen, weil er keine Lust hatte, sich den Hals zu verrenken, während sie sich unterhalten. Typisch Mann, um keine Ausrede verlegen. Für Aiden ist es trotzdem an der Zeit, Titafina weitere siebenunddreißig Mal zu versichern, dass er niemals etwas gegen ihren Willen tun würde. Er versteht ihr Gezicke aber trotzdem nicht.
Sie wusste nicht, wie sie ihm erklären sollte, dass sie ihren eigenen Reaktionen nicht traute, dass sie befürchtete, seine Berührungen könnten ihren Widerstand lähmen, bis es zu spät sein würde, bis es zu jener grässlichen Vereinigung käme, vor der es ihr so graute. Sie wollte heute noch genauso wenig wie vor einem Monat von einer Fahnenstange durchbohrt und aufgespießt werden.
Es ist schon so lange nicht mehr erwähnt worden, dass ich das Szenario mit der Fahnenstange und dem Blut und so fast vergessen hätte. Wie gut, dass es uns in Erinnerung gerufen wird!
Aiden hat einen Geistesblitz und tritt jetzt mit einer durchschlagenden Idee auf den Plan. Er schlägt ihr vor, ihr Unterricht zu geben. Zum Beispiel im Küssen. Und so. *pfeif* Los, Serafina, sag Ja, sag Ja!
Serafina dachte über seine Bitte nach und musste zugeben, dass es kein unverschämtes Anliegen war, obwohl ihr die Vorstellung, sich freiwillig von ihm küssen zu lassen, nicht besonders zusagte. Doch nachdem Aiden so rücksichtsvoll gewesen war, sie um Erlaubnis zu fragen, wollte sie ihm ihrerseits entgegenkommen. »Ich hab nichts dagegen«, murmelte sie.
Juhuuuuuu! Aber was heißt denn hier rücksichtsvoll, Sera? Da haste aber irgendwas ganz falsch verstanden, er ist nicht rücksichtsvoll, sondern selbstlos. Er will dich leeeeehren! Und das ist auch nötig, denn Serafinchen verhält sich zunächst so zwanghaft, dass Aiden erst mal mit theoretischen Dingen beginnen muss.
»Genauso gut könnte ich den Hintern einer Ziege küssen.«
Ähm … so einer ist das also?! Ich glaub, ich möchte nicht weiter darüber nachdenken! Nach einigen Ausführungen zum Küssen im Allgemeinen und im Besonderen, geht er endlich zum praktischen Teil über – und er macht das wirklich ganz meisterhaft.
»Ich würde vorschlagen, dass du ein wenig näher an mich heranrückst, damit ich dich festhalten kann. Sonst kommen wir beide nämlich möglicherweise aus dem Gleichgewicht, und du möchtest doch bestimmt nicht, dass ich auf dich falle, oder?«
Sehr hilfreicher und vorausschauender Vorschlag. Wohlgemerkt, die beiden befinden sich immer noch auf dem Bett. Wie man da das Gleichgewicht verlieren kann, ist mir ein wenig schleierhaft, aber ich hatte andererseits auch noch nie Unterricht im Küssen. Mal ehrlich, ist der Kerl durchtrieben, oder was? Sehr ritterlich ist das nicht, aber das ist eigentlich auch egal, er hat Serafina mit seiner Argumentation sofort überzeugt, und dann isses endlich so weit! *trommelwirbel*
Sein Mund berührte den ihren und seine warmen Lippen fühlten sich so angenehm an, dass ihre eigenen sich unwillkürlich öffneten. Ihre Finger machten sich selbstständig und wühlten in seinen dichten Haaren, ihr wurde heiß und kalt, und ein leises Stöhnen entrang sich ihrer Kehle.
Uiuiuiuiuiuiuiui und wow! Serafina ist offenbar relativ leicht zu begeistern und zu … ähm … entfachen. Das kann noch ne Menge Spaß bringen – auch für uns!
Er nahm sie in seine Arme, und sie presste sich an diesen behaarten Körper, überwältigt von einem Verlangen, das ihr fast die Sinne raubte.
Jaaaaa … damals galten dicht behaarte Männerkörper noch als sexy! Ich frag mich allerdings: Wieso wird das erwähnt, hat er sich etwa zwischenzeitlich heimlich ausgezogen?! *eek* Wie auch immer, er beendet die Lektion etwas panikartig und verlässt den Raum, denn sonst kann er sein Versprechen nicht halten, dass er außer Küssen nix macht. Das hat er davon, wenn er leichtfertig solche Versprechen gibt.
Bin gespannt, was der Stoff der nächsten Unterrichtsstunde sein wird!
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Uääääääh, Haaaaare. Bei behaarten Körpern kommen bei mir ja keine Gefühle auf, außer Ekelgefüle.
„Wie auch immer, er beendet die Lektion etwas panikartig und verlässt den Raum,…“
Lasst uns jetzt dreimal raten, was Serafina aus diesem Verhaltne wieder schließen wird. *seufz*
Winterkatze: Ich muss dich enttäuschen – Finchen hat intuitiv begriffen, was die Stunde geschlagen hat! Sie ist sich noch nicht sicher, ob sie wissen will, was die nächste Lektion ist. ;)
Holly, da bin ich ganz bei dir!
Also diese Charlotte ist ja ein ganz schönes Früchtchen! Das kann ja noch spannend werden. Und dann muß ich den haarigen Aiden mal verteidigen…also warum das mit seiner Behaarung erwähnt wurde, weiß ich ja auch nicht, denn die beiden waren doch bei ihren Übungen züchtig bekleidet, oder? Aber vielleicht a) hat er ja nur auf der Brust und auf den Unterarmen Haare, so wie’s sein soll (von einem haarigen Rücken hat schließlich keiner was gesagt) oder b) er ist ein verleideter Ewok?
Sorry, ich meinte natürlich einen verkleideten Ewok!