[Früherer Unsinn: Vol. 1 | Vol. 2]
Serafina ist sichtlich verstört von den Ereignissen im Wald und kann das nicht recht verbergen. Die schlaue Tante diagnostiziert unter tatkräftiger Mithilfe von Tinkerby, dass Serafina es mit den Nerven hat, glücklicherweise ist aber rein zufällig Baldrianwurzelextrakt zur Hand, das beruhigend wirken soll. Klappt nur nicht. Serafina denkt nämlich weiterhin schmachtend an den gut gebauten, sehr attraktiven Schurken, den sie für den Meister der Verführung hält und dessen Kuss sie unverzeihlicherweise so sehr genossen hat. Für den Fall, dass wir nicht verstanden haben, was da im Wald vorgefallen und wie unfassbar naiv Serafina ist, dürften wir die vorherige Szene noch mal aus ihrer Sicht erleben und erfahren, dass sie es sehr »nett« fand, dass er ihr »ganz sachlich erklärt hatte, was sie wissen wollte (…) und ohne Ausflüchte all diese Auskünfte erteilt hatte« (S. 56). Nicht so nett findet sie, dass er sie geküsst hat. Nun ja … eigentlich fand sie es schon toll, weil sie noch nie so eine Leidenschaft erlebt hat, nicht mal in ihren Träumen, aber dass der Kuss sie zum Gedanken veranlasst hat, ihre Hochzeit zu canceln, erschreckt sie dann doch ein kleines bisschen. Denn es ist ja wohl glasklar: Sie hat ihren Verlobten betrogen – wenn auch unabsichtlich.
Nachdem wir eine Weile ihren wirren Gedanken und ihrem schamvollen Erschauern beiwohnen durften, ist recht unvermittelt auch schon das Anwesen des Verlobten erreicht. Eine Dosis Baldrian später ist Serafina dann auch schon gerüstet für das Zusammentreffen mit dem gehörnten Aidan – der ist allerdings gerade nicht da, also übernimmt seine Schwester vom Rollstuhl aus die Begrüßung. Bei Serafinas Anblick lässt sie vor Schreck und Entsetzen erst mal ihren Stickrahmen fallen, bevor sie ihrer Verbitterung mit den ermutigenden Worten: »Entschuldigen Sie bitte, dass ich nicht aufstehe, aber ich bin ein Krüppel« Ausdruck verleiht. Die liebe Serafina ist natürlich bestürzt und mitfühlend wie eh und je, doch ihre blitzgescheite Mutmaßung, das müsse ja schlimm für die arme Charlotte sein, wird in keinster Weise gewürdigt. Aidans Schwester offenbart stattdessen bei dieser Gelegenheit gleich mal ihren religiösen Fanatismus und deklamiert: »Und der Herr wird euch in Trübsal Brot und in Ängsten Wasser gehen. Jesaja 30, Vers 20. Bitte vergeuden Sie ihr Mitleid nicht auf das Kreuz, dass der Herr in Seiner Weisheit mir auferlegt hat.« (S. 65) Das kann ja heiter werden, vor allem im Zusammenspiel mit der Tante, die ja bekanntermaßen die keltischen Gottheiten huldigt.
Im Gegensatz zu Aidan ist sein Vater zwar im Haus, aber unpässlich; Serafinas überaus freundliches Angebot, ein Heilmittelchen bereitzustellen, wird rüde abgeschmettert. Das Mädchen nebst Tante werden auf ihre Zimmer verbannt, wo sie gefälligst erst mal bleiben sollen. Da Serafina eine gute Menschenkenntnis hat (ach?!), erkennt sie flugs, dass die Diener völlig fertig aussehen und insofern gut zum schäbigen Interieur des Hauses und dem ungepflegten Garten passen. Die Tante lehnt ein Gespräch über die seltsame Atmosphäre aber ab und will stattdessen nun ihrerseits über die Hochzeitsnacht reden. Da man Serafinas mindestens 3756 vorherige Versuche, etwas in Erfahrung zu bringen, geflissentlich ignoriert hat, drängt jetzt natürlich die Zeit – schließlich ist es ja schon morgen so weit. Das sonst so wissbegierige Nichtchen ist peinlich betreten, denn sie weiß ja nun schon alles – denkt sie. Exzentrik-Elspeth greift aber, obwohl ledig, sehr viel tiefer in die Klamottenkiste als der Schurke im Wald und offenbart ungeahnte Einsichten.
Zunächst muss Serafina erfahren, dass die Vereinigung von Mann und Frau nicht viel anders ist als die von Vieh auf der Weide, »nur etwas kultvierter« (S. 65). Diese Eröffnung führt geradewegs zu einer massiven Schämattacke seitens des Mädchens, denn es erkennt, dass es sich mit dem Schurken im Wald nicht kultivierter als Vieh verhalten hat. Ihren Schock nur mühsam verbergend, harrt Serafina der Details, die die Auskünfte des Fremden ergänzen können. Und sie muss nicht lange warten.
»Du musst wissen, Kind, dass der Körper eines Mannes sozusagen aus dem Schlaf erwacht und aktiv wird, wenn er mit einer Frau zusammen ist. (…) Nun, du musst begreifen, dass der intime Körperteil des Mannes sich verändert, wenn er erregt ist. Dieses Glied wird dann so hart und steif wie eine Fahnenstange.« (S. 65)
Fahnenstange? Von einer Fahnenstange hat der Schurke aber nichts verlautbaren lassen! Serafina ist mal wieder schockiert – diesmal verstehe ich sie aber und kann ihren Einwand durchaus nachvollziehen. »Es muss doch schrecklich sein, von einer Fahnenstange aufgespießt zu werden.« (S. 66) Tantchen hat ganz da ganz offensichtlich weniger Verständnis für ihre unerfahrene Nichte als ich, denn sie lacht sie lauthals und Schenkel klopfend aus und liefert ihr die nächste anschauliche Metapher: »Das geht inetwa so vor sich, wie man einen Korken in eine Flasche schiebt.« (S. 66) Jupp. Das macht die Sache natürlich we-sent-lich besser! Es ist kaum zu fassen, aber ich muss erneut einräumen, dass ich Serafinas Reaktion angemessen finde:
Serafina bedachte sie mit einem misstrauischen Blick. Vielleicht war das nur wieder eines von Elspeths Fantasiegespinsten. Schließlich war sie nie verheiratet gewesen, woher sollte sie also Bescheid wissen? »Nicht jeder Korken passt in jede Flasche«, murmelte sie verstört. (S. 66)
Die kleine Serafina legt manchmal wirklich eine ungeahnte scharfe Beobachtungsgabe und Vernunft an den Tag. Die Tante unternimmt einen neuerlichen Versuch, die Ängste und Bedenken ihrer Nichte zu zerstreuen, die sie erst hervorgerufen hat, und ihr Vorgehen ist erneut sehr erfolgsversprechend:
»Oh, er wird schon passen, obwohl es wahrscheinlich weh tun wird. Aber das liegt nur daran, dass du noch eine Jungfrau bist, und ein einziger kräftiger Stoß beseitigt dieses Hindernis. Es ist eine blutige Prozedur, aber jungfräuliches Blut ist ein heiliges Opfer, und deshalb solltest du es mit Freuden bringen.« (S. 66)
Na dann, viel Spaß in der Hochzeitsnacht, Kleines! Hat eigentlich irgendjemand das Ansinnen der Tante verstanden? Hat das mit Karmaschuld zu tun? Will sie ihre Nichte zu Tode ängstigen oder erreichen, dass Serafina vor lauter Furcht die Ehe absagt? Und was reitet die Autorin, ihren Lesern so nen Unsinn vorzusetzen? Verarbeitet sie da etwa ihre eigenen Erfahrungen?! Oder soll das etwa LUSTIG sein und mir fehlt mal wieder der Humor?! Es bleibt spannend, zumal Serafina, bevor sie ins Bett geht, zusammenfassend mit bewundernswerter Klarsicht einen Ausblick auf die in der Hochzeitsnacht drohenden Vorgänge gibt, damit auch dem letzten Leser die Abscheulichkeit des Akts bewusst wird: »Aidan würde sie mit einem Glied durchbohren, das einer Fahnenstange ähnelte, und dabei würde Blut fließen.« Schlaf gut, Serafina, und süße Träume!
Derweil hockt Aidan mit einem Freund in einer Kneipe und stellt unter Beweis, dass er nicht mehr alle beisammen hat. Er berichtet dem Duke nämlich allen Ernstes von seinem Zusammentreffen mit einer Märchengestalt im Wald, die sich augenscheinlich vom Tau der Butterblumen ernährt. Sein Freund beschuldigt ihn daraufhin – verständlicherweise – des Fantasierens, doch Aidan setzt alles daran, ihn zu überzeugen. Bei der Gelegenheit wird auch noch mal Serafinas außergewöhnliche Schönheit thematisiert, und Aidan darf sich endgültig als weichherziger, romantischer Spinner outen: Er faselt völlig entrückt von Blumenwiesen, schönen Waldnymphen usw. Nur mühsam kann er einen Anfall von Eifersucht auf ihren künftigen Ehemann niederringen, den er ja so sehr um die Feenkönigin beneidet, und geht dann nahtlos dazu über, über die intrigante Hexe zu jammern, die er selbst heiraten muss und die – wie ihm sein Cousin offenbart hat – das hässlichste Kind aller Zeiten war. So langsam langweilt diese Finte mit der Schönheit, nachdem wir Leser jetzt doch wirklich begriffen haben, dass Titafina nicht (mehr) hässlich ist, sondern sich zur Waldnymphe gemausert hat! Da die Hochzeit am morgigen Tag ansteht, dürfte sich das aber ja bald mal aufklären – es sei denn, Serafina trägt einen Schleier, den sie sich zu weigern abnimmt, nachdem sie in Aidan den Schurken aus dem Wald erkannt hat. Will ichs wirklich wissen?!
Ja, natürlich willst du wissen. ^^ Uns zuliebe ^^
Ich will es jetzt auch auf jeden Fall wissen! Das wird sicher ein Schock für die arme Serafina!
Sind das eigentlich drei separate Bücher oder ist das alles in einem Buch?
In beiden Fällen: Warum tust du dir das an? Ich hätte das Buch schon nach Vol. 1 von Unsinn lesen quer durchs Zimmer gebrettert… ;-)
ich wills auch wissen :D
du musst also weiterlesen, damit uns dieses grausame erlebnis erspart bleibt M(
Unbedingt weiterlesen, Irina, ich will´s auch wissen! Ich lach mich halb tot bei deiner Zusammenfassung der haarsträubenden Geschehnisse!
Kathrin: Es ist nur ein Buch, »Im Schatten des Windes« von Katherine Kingsley. Warum ich mir das antue, ist eine gute Frage; evtl. weil einige der Blogleser es gern wollten?! Macht ja auch n bisschen Spaß, vor allem, wenn man den Unsinn mit anderen teilen kann! :)
Andererseits ist inzwischen selbst die Winterkatze vor Schreck und Entsetzen verstummt … Wenn das mal kein schlechtes Zeichen ist! *g*
LOL Ich gebe gerne zu das es einfach nur Spaß macht, deine Zusammenfassung des Unsinns zu lesen :D
@Irina: Was soll man denn dazu auch noch sagen? Ich bin selbst beim dritten Lesen schockiert … andererseits bin ich inzwischen auch sehr versucht, mir den Verlag der Frau vorzunehmen und mit Waffengewalt so lange auszuharren, bis ich eine schlüssige Antwort bekomme, warum dieses Machwerk veröffentlicht wurde! *umfall*
*kicher* Also soweit kann’s mit Serafinas neu entdeckter Schönheit nicht her sein, wenn Aidans Schwester bei ihrem Anblick vor Schreck den Stickrahmen fallen läßt! Aber andererseits ist des einen Gorgone des anderen Waldnymphe, oder so. Und dann ist da ja noch die Karmaschuld, und die Baldriantropfen, und überhaupt würde ich wahrscheinlich Kopfschmerzen bekommen, wenn ich das Buch lesen müßte! In diesem Sinne: bleib tapfer und lies weiter!
Winterkatze: Tu das nicht, nachher verhaften sie dich noch! Das wär die Sache nicht wert! :D
Susi: Ich befüchte ja, die Schwester ist erschrocken, weil Serafina so wunderschön ist. Damit hat sie sicher gar nicht gerechnet nach allem, was zuvor kolportiert wurde …
@Irina: Eigentlich ein seeeeehr geschickter Schachzug von der Autorin, die Frage, ob Serafina nun allgemein schön oder nur für ihren Schurken schön ist, wird uns bestimmt noch … äh … also … vielleicht sogar noch über ein Kapitel retten!
Schön, dass du das (für uns) erträgst! ;D
Vielleicht liegt das an der Karmaschuld. Aidan muss einfach sone hässliche Schrappnelle abbekommen, um sein mieses Karma abzubauen, aber damit wenigstens er nicht so leiden muss, sieht sie für in hübsch aus ^^ Oder er nimmt doch zuviele Drogen…