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[Rezension] Sherry Thomas: His at Night

Inhalt:
Lord Vere wird in seiner Funktion als Geheimagent aufs Land geschickt, um den verbrecherischen Diamantenhändler Edmund Douglas unter die Lupe zu nehmen. Mithilfe eines Tricks verschafft er sich in Douglas‘ Abwesenheit eine Einladung ins Haus, wo er auf die Nichte des Verbrechers trifft. Vere ist gleichermaßen fasziniert wie abgestoßen von Elissande Edgerton, die stets strahlend lächelt und offensichtlich auf der Suche nach einem Ehemann ist. Doch obwohl er ihre Pläne durchschaut, kann er nicht verhindern, dass sie ihn in einen Skandal verstrickt, der ihn zu einer Heirat zwingt …

Kommentar:
Sherry Thomas hat mich mit ihrem Debüt »Private Arrangements« restlos begeistert, und auch der Nachfolger »Delicius« hat mir gut gefallen. Ich mag ihre oft sperrigen Figuren, die zum Teil ziemlich grenzwertige Dinge sagen und tun; bei »His at Night« allerdings wurde meine Toleranzgrenze doch immer wieder überschritten. Und zwar deutlich.

Lord Vere ist ein Geheimagent mit messerscharfem Verstand, zu dessen Rolle es allerdings gehört, dass er in der Gesellschaft den liebenswerten Dummkopf gibt, der nach einem Reitunfall einen bleibenden Schaden zurückbehalten hat. Sein aktueller Auftrag lautet, sich zusammen mit einigen anderen Leuten im Haus von Elissandes abwesendem Onkel einzuquartieren und Beweise für dessen kriminelle Machenschaften zu finden. Dort stößt er allerdings auf ungeahnte Komplikationen, verursacht durch die Nichte des mutmaßlichen Verbrechers. Vere ist zunächst hingerissen von der jungen Frau mit dem strahlenden Lächeln – bis er merkt, dass dieses Lächeln unerschütterlich ist und Elissande ebenfalls nur eine Rolle spielt. Der Zweck ist ihm schnell klar: Sie will die Gelegenheit nutzen und sich einen Ehemann angeln.

Zunächst sieht sie Vere als geeigneten Kandidaten an, dann verlagert sie ihre Ambitionen allerdings – genervt von Veres Dummheit und seinen schwachsinnigen Monologen – auf Veres Bruder Frederick, der ebenfalls zu den Gästen gehört. Als Vere eine Nachricht von ihr an seinen Bruder abfängt, in der sie um ein nächtliches Treffen bittet, ist ihm völlig klar, dass sie Freddie in einen Skandal verwickeln will, um ihn zur Hochzeit zu zwingen. Er will das verhindern, gerät aber dummerweise selbst in die Falle – in einer ausgesprochen lächerlichen, unglaubwürdigen Szene. Notgedrungen willigt er dennoch in die Ehe ein, hasst Elissande aber wegen ihres skrupellosen, berechnenden Vorgehens zutiefst und lässt keine Gelegenheit aus, das sehr deutlich zu machen. Er ignoriert alle Erklärungsversuche seiner Frau und verweigert sich beharrlich jeder rationalen und emotionalen Annäherung.

Vere ist einfach ein riesengroßes, selbstgerechtes Arschloch. Er verachtet Elissande für ihr unbeirrtes Lächeln, ihre Lügen und ihre Intrigen, und übersieht dabei völlig, dass er selbst ja auch nur eine Rolle spielt. Das wirklich Schlimme ist aber, dass Vere längst weiß, warum sie ihn in die Heiratsfalle gelockt hat: weil ihr Onkel sie und ihre laudanumanhängige Tante psychisch und physisch misshandelt hat und sie diesem Gefängnis entkommen wollte – was ja zumindest mildernde Umstände sein sollten. Nicht so bei Lord Vere. Der ist stattdessen nachhaltig beleidigt, weil Elissande eigentlich (verständlicherweise!) Freddie wollte statt ihn, den »dummen Marquis«, und er entblödet sich nicht, das Thema selbst beim Sex aufs Tapet zu bringen (»Na, stellst du dir gerade Freddie vor? Das werd ich dir schon austreiben! Mach die Augen auf und sieh mich an!«). Elissande, die eigentlich eine symapthische Figur mit relativ glaubwürdigen Motiven ist, entdeckt aus unerfindlichen Gründen im Lauf der Handlung trotzdem ihre Liebe zu ihrem widerlichen Ehemann – den sie übrigens schnell als gar nicht dumm identifiziert, auch wenn er das ebenso wenig zugeben will wie seine durchaus vorhandenen Gefühle für sie. Am Ende sorgen dann mal wieder hochdramatische Ereignisse dafür, dass Vere doch zu seiner Frau stehen kann.

Wie das so ist, wenn man die Motive der Protagonisten nicht bzw. nur sehr bedingt nachvollziehen und darüber hinaus eine der Hauptfiguren nicht leiden kann, hat mich die Handlung über weite Strecken ziemlich gelangweilt, wobei es gegen Ende etwas besser wurde. Dennoch: Die Liebesgeschichte konnte mich überhaupt nicht überzeugen, ebenso wenig wie die Auflösung der Geschichte um Elissandes Onkel und die Motivation für Veres Entscheidung für die Rolle als Dummkopf. Wie in ihren anderen Büchern baut Sherry Thomas übrigens auch hier wieder eine zweite Romanze ein, die aber gleichermaßen überflüssig ist und gewollt wirkt wie in den Vorgängerwerken – es ist mir ein Rätsel, wieso das immer sein muss und warum ihr das niemand ausredet.

Fazit:
5/15 – Eine einzige Enttäuschung. Wäre das Buch von einer anderen Autorin gewesen, hätte ich es wahrscheinlich nicht mal beendet.

 

 

8 Kommentare zu [Rezension] Sherry Thomas: His at Night

  • Hört sich ja nicht so gut an, von einem Helden in einem Liebesroman erwarte ich definitiv etwas anderes. Aber leider erschaffen viele Autoren solche Helden und teilweise kommen sie auch noch gut an :)

  • Thomas‘ erschafft eigentlich immer eher grenzwertige Helden. Eine Freundin von mir hat »Private Arrangements« (ein Geburtstagsgeschenk von mir, das man nur als misslungen bezeichnen kann! *g*) wegen der Figuren so ziemlich von Beginn an gehasst. Nach etwa einem Drittel hat sie das Buch dann schließlich entnervt abgebrochen, als der Protagonist nach dem Sex (der nur wegen der geplanten Zeugung eines Erben vollzogen wird) sinngemäß zur Protagonistin sagt, dass er fast hätte kotzen müssen. Ich fand das nicht so schlimm, weil total klar war, dass Alex mit dem Spruch Gigi nur verletzen will, so wie sie ihn verletzt hat und um sich selbst zu schützen, aber da hat ja jeder ne andere Toleranzgrenze.

  • Kris

    Deine Rezi zeigt mal wieder sehr gut, wie unterschiedlich unsere Meinungen sein können :) Ich fand das Buch sehr unterhaltsam und gerade die Charaktere haben mir großen Spaß gemacht. Für mich ist das Buch ein Keeper.

  • Ich hab schon an dich gedacht, als ich die Besprechung verfasst hab, Kris! Du hattest ja geschrieben, dass du das Buch so sehr mochtest. Ich mochte Thomas‘ Bücher bis dato ja auch, aber das hier war mir zu arg. :)

    • Kris

      Ich hatte deiner Rezi ja auch entgegengefiebert ;) Ich mag unterschiedliche Meinungen, die regen wenigstens zum Nachdenken an. Kann deine Kritik auch total nachvollziehen, ich hab es halt nur einfach nicht so gesehen/gelesen.

      • Find ich auch, dass einem eine Rezension manchmal ganz neue Sichtweisen auf ein Buch eröffnen kann. Wobei es im Fall von »His at Night« wahrscheinlich einfach nur eine Frage der persönlichen Toleranzgrenzen ist! :)

  • Das Buch klingt ganz nach meinem Geschmack, ich mag Arschloch-Helden (meistens jedenfalls xD). Okay, in der Realität möchte ich solch einen Typen nicht haben, aber in Büchern ist es manchmal ganz amüsant. ^^ Ich glaub ich setz den Roman auf meine Wunschliste xD

  • Dann bin ich ja mal gespannt, ob’s dir am Ende tatsächlich gefällt! :)

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