Originaltitel: Then Came You
1. Teil einer Serie
Inhalt:
Die kapriziöse Lily Lawson gefällt sich darin, die noble Londoner Gesellschaft zu schockieren. Aber hinter der Fassade übertriebener Fröhlichkeit vergirbt sie ihre Enttäuschung über die Männerwelt. Deshalb lässt sie sich schnell überreden, die unwillkommene Verheiratung ihrer Schwester mit dem arroganten Lord Alex Raiford, Earl of Wolverton, mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln zu hintertreiben. Lord Alex beschließt bald, sie für diese Einmischung teuer bezahlen zu lassen …
Kommentar:
Lisa Kleypas zählt ja eigentlich zu meinen liebsten Liebesromanautorinnen, aber dieses (vielfach gerühmte) Frühwerk von 1993 trifft leider nicht wirklich Geschmack. Die Geschichte an sich ist »Was sich liebt, das neckt sich«-Standardkost: Die Protagonisten können sich anfänglich nicht leiden, streiten, beschimpfen und kabbeln sich, entdecken aber im Laufe ihrer Handlung ihre Liebe zueinander. Nichts Neues also, aber als Basis für einen Liebesroman völlig ausreichend. Daneben gibt es ganz am Rande noch eine Art Krimihandlung, denn Lilys Tochter ist entführt worden, und Lily wird von den Entführern erpresst. Dieser Handlungsstrang ist zwar nicht übermäßig glaubwürdig, geht aber in Ordnung.
Das eigentliche Problem sind hier die Figuren. Alex Raiford ist nach zwei Jahren immer noch zutiefst mitgenommen vom Unfalltod seiner Verlobten Caroline und lässt sich aus Angst vor weiteren Verlusten und Verletzungen nicht mehr auf andere Menschen ein. Dass er sich entschieden hat, Lilys Schwester Penelope zu heiraten, hat rein praktische Gründe: Er will einen Erben und hält die hübsche, stille Penelope für genau die richtige Frau, weil er nichts für sie empfindet und davon ausgeht, dass sie fügsam ihren Aufgaben nachkommen wird. Unglücklicherweise weckt aber ausgerechnet das Auftauchen von Lily in ihm heftiges Begehren und stürzt ihn in ein Gefühlschaos. Da ist es fast praktisch, dass seine Verlobte Penelope – angespornt und gedeckt von ihrer verrufenen Schwester – mit ihrer großen Liebe durchbrennt, denn somit ist der Weg frei für eine Hochzeit mit Lily. Spätestens hier wurde mir der Protagonist zu unglaubwürdig: Dass er Lily trotz all ihrer unfassbaren Eskapaden heiraten will, ist mir ebenso ein Rätsel wie seine Hingabe, Selbstlosigkeit und sein grenzenloses Verständnis für Lilys unüberlegte und gefährliche Aktionen; eigentlich gehört diese Frau mal ordentlich auf den Pott gesetzt, damit sie wieder zu Verstand kommt. Alex ist also zwar ein hingebungsvoller Held, er steckt für meinen Geschmack aber zu viel ein und verzeiht zu viel; mir ist er eindeutig zu weichgespült.
Im Vergleich zu Lily ist er aber trotzdem das kleinere Übel. Lily ist zwar schlagfertig und selbstständig, ansonsten aber genau so, wie ich eine Heldin nicht haben will. Ihr Handeln zeugt während der ganzen Geschichte (den Epilog ausgenommen) von ihrem Egoismus und ihrer Berechnung, zudem ist sie vollkommen übertrieben dargestellt – zu vulgär, zu hysterisch, zu laut, zu egoistsch, zu impulsiv, zu verrucht. Sie wirft mit Gegenständen, kreischt und entführt zu allem Übel auch noch Alex‘ kleinen Bruder. Gerade sie, deren eigenes Kind entführt wurde und die jeden Tag Todesängste aussteht und jede Nacht Alpträume deshalb hat, dürfte niemals einen anderen Menschen dieses Leid antun und diesen Ängsten aussetzen, auch nicht, wenn der Fall zugegebenermaßen anders gelagert ist. Ihr Schicksal entschuldigt das weder, noch ist es eine gute Begründung – ganz im Gegenteil! Mit bedingungsloser Mutterliebe und der Bereitschaft, alles für das Wohl ihres Kindes zu tun (von dem sie allerdings zunächst gar nicht weiß, ob es überhaupt noch lebt), ist aber ihr gesamtes Verhalten nicht hinreichend zu rechtfertigen. Und dass erst ihr Verlober und später ihr Liebhaber sie verraten haben, erklärt auch nicht, warum sie sich nicht helfen lässt von dem Mann, den sie liebt und der ihr ja ganz offensichtlich sein eigenes Leben zu Füßen legen würde. Stattdessen bringt sie sich ständig selbst in Gefahr bringt, und zwar ganz offensichtlich ohne zu überlegen, was aus ihrem Kind würde, wenn ihr etwas zustoßen sollte. Wenig glaubwürdig!
In Sachen Nebenfiguren hat Kleypas aber immerhin einen Volltreffer gelandet, mit Lilys Freund Derek Craven nämlich, der aus der Gosse stammt und sich zum berühmt-berüchtigten Clubbesitzer hochgearbeitet hat. Auch wenn seine Vergangenheit und die Umstände seines Aufstiegs noch Dunkeln liegen, ist schon jetzt klar, dass er für seinen Reichtum und Erfolg über Leichen gegangen ist; entsprechend hart und unnachgiebig verhält er sich Lily, vor allem aber sich selbst gegenüber. Auf seine Geschichte bin ich wirklich gespannt, sie wird in »Roulette des Herzens« (Originaltitel: »Dreaming of you«) erzählt.
Fazit:
7/15 – Mehr Punkte kann ich dem Frühwerk vom Kleypas beim besten Willen nicht geben, dafür sind die Protagonisten, vor allem Lily, einfach zu misslungen.
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