Winterkatzes Rezension schon das allerschlimmste befürchtet – und so schlimm kams dann doch wieder nicht.
Die oftmals kritisierte Ellie ist zwar keine übermäßig sympathische Protagonistin, ich empfand sie aber als lange nicht so schlimm wie andere Leser. Obwohl ich selbst in einer Kleinstadt aufgewachsen bin, kann ich mir lebhaft vorstellen, dass man als Teenager die Krise kriegt, wenn man kurz vor dem Abitur von den Eltern von der Großstadt in ein 400-Seelen-Dorf verpflanzt wird. Dass Ellie nach Jahren in der Stadt mit dem Landleben, den ländlichen Gepflogenheiten und der Schönheit der Natur nichts anzufangen weiß, halte ich für absolut glaubhaft, und dass sie wegen des Umzugs zornig, bockig, selbstmitleidig und destruktiv ist, ist für mich absolut nachvollziehbar – und irgendwie auch berechtigt. Dass ihre Eltern gute Gründe für den Umzug haben, weiß sie nicht, schließlich reden sie nicht mit ihr; für Ellie stellt sich der Umzug folgerichtig als egoistische Aktion ihrer Eltern dar, die rücksichtsvollerweise ruhig bis zu ihrem Schulabschluss hätten warten können, bevor sie Köln verlassen. Doch bei allem Verständnis: Ellie ist alles andere als eine Heldin, die man ins Herz schließt und sie ist teilweise ziemlich anstrengend. Andererseits ist ihr ganzes Verhalten, auch gegenüber ihrer neuen Schulkameraden, ihren Eltern und Colin, für mein Empfinden aber stimmig und zeigt ein Mädchen, das sich aus seiner Unsicherheit heraus teilweise ziemlich seltsam und ungeschickt verhält. Das ist vielleicht nicht sympathisch, aber wenigstens authentisch – was für mich vieles entschuldigt und weshalb ich vieles verzeihe.
Problematischer als die Figur Ellie ist für mich die Tatsache, dass in diesem Buch eigentlich sehr, sehr wenig passiert. Es kommt wahnsinnig schwer in die Gänge und beschäftigt sich knapp 200 Seiten lang fast ausschließlich mit Ellies Leid. Es folgen zahlreiche hypermysteriöse Andeutungen, Träume und Ereignisse, die zum Teil in Zusammenhang mit dem nicht weniger geheimnisvollen Colin stehen, der immer wieder unvermittelt Ellies Weg kreuzt, um sie dann von sich zu stoßen. Eine Weile bezieht der Roman Spannung aus der Frage, was es mit Colin auf sich hat, doch als das aufgeklärt und mit Informationen unterfüttert ist, flacht die Handlung wieder deutlich ab. Es fehlt im Mittelteil über weite Strecken der rote Faden; man weiß nicht, was das Ziel ist, wo alles hinführen soll und kann daher die Ereignisse nicht einordnen. Die Geschichte ist nett, doch die Erzählung plätschert relativ ereignisarm vor sich hin, die Erlebnisse wirken teils aneinanderngereiht und es fehlt der Spannungsbogen. Erst gegen Ende nimmt die Erzählung wieder an Fahrt auf, bietet einen etwas undurchsichtigen Showdown und einen halbwegs offener Schluss, der einen nach Band 2 der Trilogie rufen lässt.
Die Grundidee hinter der Geschichte ist nicht sensationell neu, aber noch nicht sehr ausgiebig beackert und wirkt insofern frisch. Bettina Belitz hat die zugrundeliegende Mythologie überzeugend adaptiert und mit ihren eigenen Ideen versehen – die Handlung der folgenden Bände könnte wirklich sehr interessant werden. Vom Mythos hinter Colin abgesehen, unterscheidet das Buch in der Anlage gar nicht so sehr von anderen paranormalen (Teenie-)Romanzen, in denen sich eine Außenseiterin in einen geheimnisvollen Jungs verliebt und trotz aller vermeintlicher Ausweglosigkeit um eine unmöglich scheinende Beziehung kämpft. Die weit verbreitete Begeisterung darüber, dass dieses Buch mal was ganz anderes sei, kann ich insofern nicht nachvollziehen.
Wirklich bemerkenswert ist der Stil des Buches. Ich habe selten so viele sorgsam gewählte Verben sowie zahlreiche, aber nie übertrieben eingesetzte Adjektive und Adverben erlebt wie hier – Belitz muss entweder extensiv an ihrem Ausdruck gefeilt haben oder ein unglaubliches Sprachgefühl besitzen. So oder so, das Ergebnis ist mehr als überzeugend: Selten habe ich so gut beschriebene Szenen gelesen und so deutlich vor meinem inneren Auge gesehen wie hier. Sprachlich-stilistisch macht das Buch riesigen Spaß und kompensiert so zum Teil die etwas schleppende Handlung.
Fazit:
10/15 – Ein gutes Buch, dem ein interessanter Mythos zugrunde liegt, das aber viele Längen hat.
Eigentlich sollte meine Rezi ja vor deiner fertig sein. *schäm* Aber dafür könnte ich deine jetzt wieder komplett kopieren.
Liebe Grüße,
Nina
Beim nächsten Mal bin ich schneller. ;)
Ein sehr gutes Zeichen für das Buch, dass bisher noch niemand wirklich was Negatives darüber sagen konnte. Mir gefiel es sehr gut – und in diesem Fall war ich sogar von den Längen begeistert xD