1. Teil der Huxtable-Serie
Inhalt:
Als Elliott Wallace, Viscount Lyngate, in Throckbridge eintrifft und dem 17-jährigen Stephen Huxtable verkündet, dass er einen Lord-Titel mit allen Pflichten und Vorzügen geerbt hat, steht das Leben des Jungen und seiner drei Schwestern plötzlich auf dem Kopf. Gemeinsam verlassen sie ihren Heimatort und ziehen in Stephens geerbtes Anwesen. Dort sollen sie alle ihren gesellschaftlichen Schliff erhalten, um in den ton eingeführt werden zu können.
Vor allem aus praktischen Gründen entschließt sich Viscount Lyngate, der für die Familie verantwortlich ist, die älteste Schwester Margaret zu heiraten. Die verwitwete Vanessa allerdings macht ihm einen Strich durch die Rechnung: Als sie Wind von seinem Plan bekommt, bietet sie sich selbst als Braut an, um Margaret vor einer Zweckehe zu bewahren – und Lyngate willigt nach langem Ringen ein. Doch die vernunftbasierte Verbindung zwischen den beiden entwickelt sich anders als geplant …
Kommentar:
Der erste Teil der neuen Serie um die Huxtable-Geschwister fängt richtig stark an: mit dem unerwarteten Auftauchen eines Viscounts auf dem Dorfball in Throckbridge, wo er Vanessa Huxtable kennenlernt. Lyngates Auftreten auf dem Dorfball erinnert unbestreitbar an Mr. Darcy, und mit Vanessas Reaktion auf seine Arroganz beim Tanzen ist der Grundstein gelegt für eine prickelnde Beziehung zwischen den beiden Protagonisten, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Auch im weiteren Verlauf der Geschichte steht das wechselhafte Verhältnis zwischen Vanessa und Elliott, die sich aufgrund ihrer Gegensätzlichkeit nicht ganz grün, aber doch merklich voneinander fasziniert sind, im Vordergrund. Ihre Treffen und Diskussionen bieten eine Menge Spannung und Unterhaltung – bis zum vorläufigen Höhepunkt, Vanessas Heiratsantrag und der Hochzeit.
Anschließend flacht die Handlung leider ab: Nach dreitägigem Aufenthalt in einem abgeschotteten Haus, der eigentlich einen hervorragenden Grundstein für das weitere Leben der Jungvermählten hätte bilden sollen (was eigentlich auch so zu sein schien), folgt ein Auf und Ab unglücklicher Ereignisse, Missverständnisse und Intrigen, die die ohnehin auf wackligen Beinen stehende Beziehung der Jungvermählten immer wieder ins Wanken bringt. Begleitet wurden diese Störfaktoren auch noch von sich wiederholenden, doch ziemlich ermüdenden Dialogen über die feinen Unterschiede der verschiedenen Arten von Liebe. Weiter Teile des Handlungsverlaufs nach der Hochzeit wirkten recht konstruiert und in die Länge gezogen; es will einfach keine rechte Spannung mehr aufkommen. Schade, dass sich Mary Balogh nicht einfach darauf konzentriert hat, die wachsende Beziehung der Protagonisten zu beschreiben, statt ziemlich überflüssige Krisen zu ersinnen, deren Ausgang ohnehin klar ist.
Vor allem Viscount Lyngate ist ein Held nach meinem Geschmack: ein bisschen düster, arrogant, herrisch, misstrauisch, mürrisch, humorlos und oberflächlich, aber von alledem nicht zu viel, sondern in genau dem richtigen Maß, um trotzdem noch sympathisch zu sein (manchmal gerade noch!). Bezüglich Vanessa bin ich ein wenig gespalten. Natürlich ist sie der perfekte Gegenpart zu Elliott, und sie ist grundsätzlich durchaus eine liebenswerte Figur, ich kann aber wenig mit ihrer Eigenschaft anfangen, sämtlichen Problemen, Anmaßungen und Beleidigungen guten Mutes und mit einem Lachen zu begegnen. Ihre unermüdliche Fröhlichkeit und ihr ungebrochener Optimismus überschreiten schon fast die Grenzen des Erträglichen und sind zeitweise fast so anstrengend wie ihre ständige Zurückweisung jeglicher Komplimente; bisweilen schien sie ihrer Umgebung geradezu einreden zu wollen, dass sie fürchterlich hässlich sei. Trotzdem: In Kombination mit Lyngate ist Vanessa natürlich klasse; die Dialoge zwischen den beiden sind an vielen Stellen so spritzig und humorvoll, wie man das von Balogh gewohnt ist, und ohne Vanessas positive Einstellung zum Leben würde das Buch ohnehin gar nicht funktionieren.
Auch die weiteren Huxtable-Geschwister werden in diesem Buch eingeführt; Kate und Stephen sind noch nicht so recht greifbar, die älteste Schwester Meg ist allerdings bislang nicht wirklich mein Fall. Ihre nicht enden wollende Trauer um die verlorene große Liebe und ihrer Aufopferungsbereitschaft für die Familie sind mir irgendwie unheimlich; insofern fürchte ich den dritten Teil der Serie, der von ihr handelt, ein wenig … Richtig gespannt bin ich auf die weitere Geschichte um Cousin Constantine. Der Handlungsstrang um seine Vergangenheit bleibt offen, doch dass bezüglich Lyngates Erzfeind nicht alles so ist, wie es zu sein scheint, ist klar. Man darf gespannt auf sein eigenes Buch sein (angeblich für 2010 geplant).
Ein großes Plus des Buchs ist einmal mehr Baloghs Erzählweise. Manch einem Leser ist sie zu langweilig und zu wenig spektakulär, ich finde ihre leisen Töne genau richtig: Der feinsinnige Humor, die unterhaltsamen, oft amüsanten Dialoge und die Emotionalität sind einfach genau mein Fall und machen so manchen Mangel in der Handlung wieder wett.
Fazit:
11/15 – Nach einer hervorragenden ersten Hälfte fällt das Buch merklich ab, weil es der Autorin nicht gelingt, die Spannung nach der Hochzeit noch aufrecht zu erhalten; da helfen auch mühsam konstruierte Krisen nicht. Trotz allem ein guter, unterhaltsamer Liebesroman – auch wenn man von Balogh noch bessere kennt.
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