Originaltitel: Be Mine Tonight
1. Teil der Schattenritter-Serie
Inhalt:
Seit sechs Templer während der Kreuzzüge in Vampire verwandelt wurden, dienen sie dem Vatikan als Schattenritter und suchen nach dem Heiligen Gral, der ihnen Erlösung verspricht. Einer von ihnen, der ruppige Einzelgänger Chapel, folgt einer Spur an die wilde Küste Cornwalls – und findet dort die willensstarke Prue, die sein Herz nach 600 Jahren wieder zum Glühen bringt …
Kommentar:
Die krebskranke Prudence Ryland ist zusammen mit dem Forscher Marcus Grey auf der Suche nach dem Heiligen Gral – in der Hoffnung, dass ein Schluck aus dem mystischen Gegenstand sie von ihrem Leiden heilen wird. Als die Kirche von ihrem Vorhaben erfährt, werden zur Wahrung der vatikanischen Interessen zwei Vertreter geschickt, die die Suche beaufsichtigen sollen: Pater Molyneux und der angebliche Historiker Chapel, der in Wahrheit einer der vampirischen Schattenritter ist und sich durch den Gral die Erlösung von seinem Vampirdasein erhofft. Zwischen Chapel und Pru knistert es von der ersten Begegnung an gewaltig, obwohl ihre Einstellung zu ihrem Dasein und die Gründe für die Gralssuche nicht unterschiedlicher sein könnte: Während Pru ihr Leben verlängern möchte, hofft Chapel, seine Existenz mithilfe des Grals beenden zu können. Vor allem in der zweiten Hälfte der Handlung tritt diese sehr gegensätzliche Lebenseinstellung deutlich hervor, denn Pru erfährt, wer bzw. was Chapel wirklich ist – und dass er sie retten kann. Chapel allerdings hadert mit seiner Moral und schaut tatenlos zu, wie seine Geliebte mit riesigen Schritten auf den sicheren Tod zusteuert …
Kathryn Smith hat eigentlich gute Voraussetzungen für einen guten paranormalen Liebesroman geschaffen, und das Buch startet auch vielversprechend, kann aber die geweckten Erwartungen nicht erfüllen. Die Gralsidee ist wirklich gut, doch die Handlung pläschert letztendlich ohne echte Höhepunkte vor sich hin und ist relativ spannungsarm. Nur bedingt nachvollziehbar war für mich die auf den ersten Blick und natürlich für die Ewigkeit entflammte Liebe zwischen den Protagonisten.
Apropos Protagonisten, die sind das Hauptproblem an der Geschichte – um genau zu sein: Chapel ist das Problem. Er ist eigentlich ein ziemlich klassischer Vampir: Er braucht Blut zum Überleben, verträgt kein Tageslicht, ist extrem schnell und stark und hat einen außergewöhnlich guten Geruchs-, Hör- und Sehsinn; zwar hat er im Gegensatz zum altbekannten Vampir ein Spiegelbild, dafür kann er in Menschengestalt – pardon, Vampirgestalt – fliegen. Letzteres ist recht praktisch, zumal er sogar Passagiere mitnehmen kann: Prudence zum Beispiel, um mit ihr im Hof von Buckingham Palace eine schnelle Nummer zu schieben. Eigentlich ist Chapel also ein recht beeindruckender Kerl – wenn da nicht seine permanente Weinerlichkeit, sein grenzenloses Selbstmitleid und sein enervierender Selbsthass wäre. Er hat sich nämlich von der Kirche jahrhundertelang einreden lassen, er sei ein »Monstrum« – als durchschlagenden Beweis dafür sieht er unter anderem den Tod seiner früheren Verlobten vor 600 Jahren an, den er immer noch nicht verkraftet hat. Da er Pru nicht ebenfalls zu einer »Abscheulichkeit« machen will, lehnt er ihren Wunsch, er möge sie verwandeln, rigoros ab und steht ihr stattdessen lieber bei ihrem schmerzlichen Dahinsiechen bei. Alles aus Liebe, wie sich beide einreden, nicht aus Mangel an Liebe. Immerhin kann Pru ihn nach einigem Hin und Her dazu überreden, mit ihr zu schlafen, sodass sie wenigstens nicht als Jungfrau sterben muss – was aber auch einiges an Überzeugungskraft erfordert, denn Chapel unterbricht mit seinen Bedenken und Einwänden noch den eigentlichen Akt (»Ich bin kein Mensch, Pru. Was die Kirche und die Welt betrifft, bin ich eine Abscheulichkeit. Willst du die als deinen Liebhaber?«, S. 297). Aus unerfindlichen Gründen räumt er trotz aller Selbstverachtung Pru gegenüber ein, dass er selbst mit dem heutigen Wissen wieder aus dem Kelch trinken und ein Vampir werden würde; angesichts seiner Selbstverachtung ist das schwer nachvollziehbar, ebenso wie sein plötzliches Umdenken gegen Ende des Buches, als ihn die Einsicht ereilt, dass er vielleicht doch kein dämonisches Monster ist.
Pru ist ein vollkommen gegensätzlicher Charakter: Sie ist trotz ihrer Krankheit optimistisch, willensstark, entschlossen und betrachtet das Leben mit einer gehörigen Portion Humor. Sie, die bald viel zu jung sterben muss und doch so lebenshungrig ist, hat natürlich keinerlei Verständnis für das Gejammer eines Unsterblichen und macht der vampirischen Heulsuse wegen seiner Einstellung zum Leben und seiner Selbstverachtung ordentlich Feuer unterm Hintern. Allerdings ist ihre Beurteilung von Chapels Situation – wenngleich im Ansatz sicher richtig – für meine Begriffe zu schwarz-weiß und zu moralisch-vernünftig, um uneingeschränkte Sympathien für sie zu wecken. Schlimmer noch ist ihr gnadenloses Urteil über Chapels frühere Verlobte, das vollkommen anmaßend ausfällt und dem jeder Bezug zur Realität fehlt. Hier ist die Autorin beim Versuch, Prus bedingungslose Loyalität herauszuarbeiten, zum Teil ein wenig übers Ziel hinausgeschossen; dennoch ist die weibliche Protagonistei im Großen und Ganzen gut gelungen.
Das Buch spielt im Gegensatz zu den meisten anderen paranormalen Romanzen gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Obwohl die Autorin sich mit historischen Liebesromanen einen Namen gemacht hat und auch heute noch bzw. wieder solche schreibt, ist das Zeitkolorit nicht besonders gut eingefangen. Abgesehen davon, dass es keinerlei Heilungschancen für Pru gibt (was ja leider auch heutzutage ab einem Gewissen Stadium der Krebserkrankung der Fall ist), hatte ich nie wirklich das Gefühl, mich in der viktorianischen Zeit zu befinden. Das ist zwar nicht wirklich schlimm, aber ein wenig schade, weil sich das Buch dadurch von anderen Romanen hätte abheben können.
Möglicherweise ist die Sprache ein Indiz für die Zeit, in der das Buch spielt – ich bin mir allerdings nicht sicher, ob die teils etwas antiquiert wirkende Ausdrucksweise nicht auf die Übersetzung zurückzuführen ist. Diese ist nämlich auch sonst stellenweise etwas sperrig und lässt einen wegen diverser kleinerer Ungenauigkeiten immer mal wieder stolpern, etwa über »kühlende Kohlen« (S. 148).
Fazit:
8/15 – Seichte, aber solide Unterhaltungsliteratur mit Potenzial, deren größtest Manko der weinerliche und völlig unvampirische Vampir in der männlichen Hauptrolle ist. Da die Schattenritter in den Hauptrollen der folgenden Bände der Serie deutlich besser sein sollen, werde ich der Serie wohl noch eine zweite Chance geben.
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