OT: Rapscallion
Matthew-Hawkwood-Serie, Teil 3
Inhalt:
London, auf dem Höhepunkt der napoleonischen Kriege. Die französischen Gefangenen erwartet ein Schicksal, das noch schlimmer ist als der Galgen: abgewrackte Kriegsschiffe, die in der Themse vor Anker liegen. Dort müssen sie unter höllischen Bedingungen Strafarbeit verrichten, die nur die wenigsten überleben. Als sich herausstellt, dass dort eine Verbrecherbande ihr Unwesen treibt, schickt die Navy den mit allen Wassern gewaschenen Sonderermittler Hawkwood, um ihr das Handwerk zu legen.
Kommentar:
»Das Höllenschiff« ist mal wieder eins jener Bücher, von denen ich aufgrund der verlagsinternen Einordnung (historischer Kriminalroman), des Klappentextes und des Titels etwas vollkommen anderes erwartet habe: Obgleich das Buch zugegebenermaßen irgendwie schon ein Krimi ist, erinnert es doch viel mehr an einen Abenteuerroman – der übrigens nur zu einem Drittel auf dem im Deutschen titelgebenden Höllenschiff spielt. Mit anderen Worten: Hätte ich geahnt, mit was für einer Art von Buch ich es zu tun habe, hätte ich es nie im Leben gekauft, denn mir wäre völlig klar gewesen, dass es nichts für mich ist.
Der Bowstreet Runner Matthew Hawkwood soll das Verschwinden zweier Navybeamter aufklären, das im Zusammenhang mit einer Schmugglerbande stehen soll. Um Hawkwood in diese Verbrecherbande einzuschleusen, wird er undercover – als gefangener amerikanischer Söldner in französischen Diensten – auf das Gefangenenschiff Rapacious geschickt. Der Plan geht auf: Über einen Kontaktmann auf dem Schiff, der mit den Schmugglern zusammenarbeitet, wird Hawkwood zusammen mit dem französischen Offizier Lasseur an Land geschleust. Nach einer abenteuerlichen Flucht vor der Nacy erreichen die beiden schließlich ihr Ziel: das Hauptquartier von Ezekiel Morgan, der den Handel an der gesamten englischen Küste kontrolliert und die Überfahrt nach Frankreich ermöglichen soll. Doch ehe es soweit ist, fliegt Hawkwoods Tarnung auf, sodass eine erneute Flucht notwendig wird.
Der treffendere Titel des Buches wäre »Auf der Flucht« gewesen, denn genau darum geht es knapp 600 Seiten lang. Zunächst versuchen Hawkwood und Lasseur von der Rapacious zu entkommen, dann flüchten sie vor den Häschern der Navy und schließlich vor den Schmugglern. Auf ihrer Flucht erleben sie jede Menge Abenteuer unterschiedlichster Art, die mehr oder minder spannend sind, wenn man solche Geschichten denn mag. Ich muss wohl nicht extra erwähnen, dass ich derlei Abenteuer-/Fluchtstoffe überhaupt nicht mag und mich geärgert, tödlich gelangweilt und schließlich zunehmend quergelesen habe.
Das Problem ist aber nicht nur, dass ich solche Stoffe nicht mag, sondern dass das prinzipiell interessante Thema für meinen Geschmack nicht spannend und intensiv genug aufbereitet wurde. Das hängt auch damit zusammen, dass die Hauptpersonen grundsätzlich in Ordnung sind, aber dennoch irgendwie blass und emotionslos anmuten. Beispielsweise wird die Situation auf dem Gefangenenschiff zwar ausführlich als schrecklich beschrieben, die Figuren haben aber eine merkwürdige Distanz dazu. So erfährt man zum Beispiel, dass es atemberaubend stinkt und dreckig ist, man hat aber zu keiner Zeit den Eindruck, als würde Hawkwood allzu sehr darunter leiden: Er kämpft nicht mit seiner Fassung und gegen die Übelkeit, er hadert nicht mit seinem Schicksal und verflucht seinen Auftrag nicht – das ist selbst unter der Grundvoraussetzung, dass er kein echter Gefangener ist, nicht wirklich glaubwürdig und sorgt schon gar nicht für eine mitreißende Atmosphäre.
Das knapp fünfseitige Nachwort, das die historischen Fakten zum Schmuggel in dieser Zeit knapp darlegt und im Roman genannte Orte und Figuren ins rechte Licht rückt, war für mich mindestens ebenso informativ und spannend wie der Roman selbst.
Fazit:
5/15 – Ein Trip durch das England des frühen 19. Jahrhunderts, der Fans von Abenteuerromanen gefallen mag, als historischer Kriminalroman jedoch enttäuscht, weil Hawkwood nicht im klassischen Sinne ermittelt. Ich werde dennoch einem weiteren Band der Serie eine Chance geben, denn das Setting finde ich grundsätzlich interessant.
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Serieninfo:
01 Ratcatcher | Der Rattenfänger
02 Resurrectionist | Die Totensammler
03 Rapscallion | Das Höllenschiff
Ich bin gerade beim zweiten Teil der Matthew-Hawkwood-Serie – und habe mich ja schon darüber geärgert, dass man meinem Band nicht entnehmen kann, dass es eine Serie ist. Immerhin muss ich anmerken, dass ich auch nicht das Gefühl habe, etwas verpasst zu haben oder nicht zu verstehen, weil ich den ersten Teil nicht kenne.
„Auf der Flucht“-Geschichten finde ich eigentlich ganz reizvoll, wenn sie denn gut gemacht sind.
Bei „Die Totensammler“ finde ich die ekeligen Seiten der Geschichte ausführlich genug geschildert, und mir reicht es auch, dass der Runner manchesmal einen Brechreiz unterdrücken muss. Mehr Details will ich gar nicht haben – vor allem, da ich meine Bücher häufig beim Frühstück bei der Hand habe und dann keine unappetitlichen Dinge lesen will. ;)
Das hat mich auch geärgert, dass nirgends ein Hinweis auf die Serie vermerkt war – zumal es im »Höllenschiff« den einen oder anderen Bezug auf frühere Fälle gibt. Der ist fürs Verständnis nicht wirklich wichtig und der Höllenschiff-Fall ist komplett abgeschlossen, es wäre aber schön gewesen, wenn man die Andeutungen verstanden hätte!
Zum Ekel-Faktor: Ich wollte nicht sagen, dass ich es eklig und detailliert brauche; das Gegenteil ist der Fall. Ich wollte eher darauf hinaus, dass die Regel »show, don’t tell« m.E. nur bedingt beachtet wurde …
Okay, du hast recht, es ist wirklich mehr „tell“ als „show“, liest sich aber trotzdem gut. ;)
Wobei ich gestern Abend dann doch beschlossen habe, dass ich die letzten Seite gleich beim Frühstück lesen werde, weil ich vor dem Einschlafen keine weiteren Details über die Verarbeitung von Leichen haben wollte. *g*
Du liest solche Details lieber beim Frühstück als vorm Schlafen? Erstaunlich! *lach*
Meine Träume kann ich nicht steuern, aber solange mein Verstand wach ist, kann ich auch mit ekeligen Details zum Essen umgehen. Schließlich habe ich meine Teeniezeit damit verbracht meinem Vater das Sonntagsmahl zu verderben, in dem ich tiermedizinische Details bei Tisch erzählte. :D