Abandoned at the Altar, Book 1
Inhalt:
Lady Beatrix Danbury und William Mallory, Duke of Sunderland, kennen und lieben sich seit ihrer Kindheit. Ihre Hochzeit soll das Ereignis der Saison werden, doch dann trennen sie sich zwei Wochen vor ihrer geplanten Hochzeit, weil Will die Möglichkeit erhält, seinen Lebenstraum zu verwirklichen und an Ausgrabungen in Ägypten teilzunehmen. Als Will sechs Jahre später, 1901, nach England zurückkehrt und auf Beatrix trifft, will er nur eins: sie zurückerobern. Das allerdings ist nicht so einfach, denn nicht nur lasten die Schatten der Vergangenheit auf ihnen, sondern Beatrix ist darüber hinaus inzwischen mit einem anderen verlobt …
Kommentar:
»Wedding of the Season« ist der Auftakt zu einer neuen Serie von Laura Lee Guhrke, in die ich grundsätzlich hohe Erwartungen setze. Ihre Bücher stehen auf meiner Autobuy-Liste – ich les da nicht mal den Klappentext, bevor ich unmittelbar nach der Ankündigung den Bestellbutton drücke, weshalb auch schon Teil 2 der Serie (»Scandal of the Year«) zu mir unterwegs ist. Und das, obwohl mich Guhrkes letztes Buch, »With Seduction in Mind« eher ein wenig enttäuscht hat. Leider kann ich nicht sagen, dass der Nachfolgeroman besser wäre – im Gegenteil.
Wie fast alle Guhrke-Bücher spielt auch »Wedding of the Season« in der spätviktorianischen Ära, in einer Zeit also, in der technische und wirtschaftliche Neuerungen das Leben und die Gesellschaft schon ziemlich verändert haben. Die Bürgerlichen kamen damals zu Geld und gewannen mehr und mehr an Ansehen, während der Adel zunehmend an Bedeutung verlor und verarmte. Nicht wenige Adlige waren gezwungen, neureiche Emporkömmlinge, häufig aus Amerika, zu heiraten, um den Ruin zu vermeiden; die Zeiten, in denen sich der Adel – bewundert von den Untergebenen – selbst zelebrierte, neigten sich dem Ende zu. Auch die Frauen fügten sich nicht länger klaglos in ihr Schicksal, sondern forderten mehr Selbstbestimmung und Freiheit. Das Buch spiegelt diese gesellschaftliche Situation und die Umbruchstimmung sehr gut wieder. Es werden unglückliche arrangierte Ehe zwischen Adligen und Emporkömmlingen, Scheidungen, Autofahrten mit dem Daimler und dem Orientexpress sowie unanständig ausgelassene Tänze zu Ragtime thematisiert, und die unterschiedlichen Einstellungen zur Veränderung kann man bestens anhand der Figuren nachvollziehen. Es gibt adlige Ausbrecher wie Will, der keine Lust hat, seine herzöglichen Pflichten wahzunehmen, sondern lieber ägyptische Könige ausbuddelt, und Beatrix‘ sehr modern geratene Cousine Julia, die sich nicht im Mindesten um irgendwelche gesellschaftlichen Regeln schert. Ihnen gegenüber stehen vor allem Beatrix‘ Verlobter Aiden, der Duke of Trathen, der extrem konventionell und verknöchert wirkt, und Beatrix selbst, die ihre Verpflichtungen gegenüber Land und Leuten nie vergisst. Bisweilen hat man den Eindruck, dass Guhrke – obwohl ja alle ihre Bücher zu dieser Zeit spielen – noch mal intensiv recherchiert und will ihr neu gewonnenes Wissen jetzt unbedingt vermitteln; sie neigt phasenweise dazu, die gesellschaftliche Situation ziemlich auszubreiten. Und leider nicht nur die.
Die Handlung ist nämlich ausgesprochen dünn, dabei wäre die Grundidee eigentlich gar nicht schlecht gewesen: Zwei ehemalige Liebende treffen sich nach längerer Zeit wieder und werden von ihren Gefühlen überwältigt – das liefert prinzipiell guten Stoff. Zumal die Trennung eher auf unglückliche Umstände zurückzuführen war: Dass Will damals das Angebot erhalten hat, seinen Lebenstraum zu verwirklichen und an Ausgrabungen in Ägypten teilzunehmen, während Beatrix England keinesfalls verlassen wollte, ist einfach dumm gelaufen. Und was soll man schon tun als sich zu trennen, wenn in einer solchen Situation keiner von seinem Standpunkt abrückt?! Da hilft alle Liebe nichts.
Natürlich flammt die Liebe zwischen den beiden trotz aller Enttäuschung bei ihrem Wiedersehen sechs Jahre später schon beim ersten Zusammentreffen neu auf – daran ändern weder die Ereignisse und Enttäuschungen in Vergangenheit noch Beatrix‘ Verlobung etwas. Also nimmt Will die Zügel in die Hand und versucht, seine Jugendliebe erneut zu erobern – mit dem Ziel, sie diesmal davon zu überzeugen, mit ihm nach Ägypten zu kommen. Was die beiden eigentlich überhaupt zueinander hinzieht außer Erinnerungen an eine nette gemeinsame Jugend, die wieder und wieder aufgekocht und durchgekaut und noch mal aufgekocht und noch mal durchgekaut werden, erschließt sich irgendwie überhaupt nicht. Denn die Zeit hat die Wunden überhaupt nicht geheilt – beide fühlen sich immer noch vom anderen verraten und werden nicht müde, das zu thematisieren. Es gibt gefühlte siebentausend Dialoge, die nach folgendem Schema ablaufen:
»Du hast mich damals zwei Wochen vor der Hochzeit verlassen, Will, wie könnte ich dir jemals wieder vertrauen?«
»Ich hab dich überhaupt nicht verlassen. Du hast dich geweigert, mit mir nach Ägypten zu kommen. Du hast nur so getan, als würdest du dich für mich und meine Interessen begeistern.«
»Ich hab mich sehr wohl für dich interessiert, aber nur weil ich mir deine Ausführungen über Ägyptologie anhöre, muss ich mich ja noch lange nicht England verlassen.«
»Aber England ist langweilig, und Ägypten ist toll, Beatrix.«
»Auch England hat eine interessante Geschichte.«
»Aber die kenn ich doch schon, ich will neue Geschichte erleben.«
»Du sollst keine neue Geschichte erleben, du sollst gefälligst deinen Pflichten als Duke nachkommen.«
»Ich hab aber diese scheiß Konventionen total satt. Ich will Abenteuer!«
»Du bist ein Duke, dir stehen keine Abenteuer zu! Du musst dich um dein Land kümmern und Kinder zeugen, die dein Erbe antreten.«
»Wir hätten auch in einem Zelt Kinder machen können. Aber du wollest ja lieber weiter unter der Fuchtel deines blöden Vaters sein.«
»Lass meinen Vater aus dem Spiel. Der hat immerhin seine Pflichten als Duke erfüllt.«
»Indem er dich unterdrückt hat.«
»So wie du, als du versucht hast mich zu zwingen, mit nach Ägypten zu kommen.«
»Hättest du mich geliebt, wärst du mitgekommen, ohne es als Zwang zu empfinden.«
»Hättest du mich geliebt, wärst du bei mir geblieben und hättest mich zu deiner Ehefrau und Mutter deiner Kinder gemacht!«
»Irgendwann, wenn ich das Grab von Tutenchamun gefunden habe, komm ich ja zurück. Vielleicht.«
»Und wenn du’s nie findest, Will?«
»Keine Ahnung. Spielt doch auch gar keine Rolle, wo wir sind, Hauptsache, wir sind zusammen.«
»Wir können doch auch in England zusammensein! Wenn du mich lieben würdest, wärst du nie gegangen.«
»Sehr wohl liebe ich dich, Beatrix. Ich hab dich immer geliebt, liebe dich und werde dich immer lieben.«
»Aber nicht genug, um bei mir in England zu bleiben.«
Bladiblahdiblah.
Als seien zahlreiche derartige Dialoge nicht genug, werden genau die gleichen Themen von beiden Protagonisten auch noch mal ganz für sich in Gedanken durchgekaut und mit Jugenderinnerungen angereichert. Eine aktuelle nachvollziehbare Entwicklung gibt es überhaupt nicht, und auch die Beziehung zwischen den beiden verändert sich übers ganze Buch hinweg kaum. Das Happy-End ist folglich nicht wirklich plausibel und fürchterlich platt, war aber genau so zu erwarten, nachdem sich ja keine der Figuren von ihrem Standpunkt wegbewegen wollte und ihr Gesicht verloren hätte, hätte sie es doch getan.
Ich bin gespannt auf den nächsten Band der Serie, in der der gehörnte Duke of Trathen und die moderne Julia zusammenkommen. Aufgrund der extremen Gegensätzlichkeit der Figuren könnte das spannend werden, allerdings bin ich gerade infolge von »Wedding of the Season« nicht sehr positiv gestimmt.
Fazit:
6/15 – Gähnende Langeweile, eine künstliche aufgeblasene Handlung und blasse Figuren – das kann Gurhke besser. (Und ganz ehrlich, in der Punktewertung ist sogar schon ein klitzekleiner Autoren-Bonus enthalten.)
Serieninfo:
01 Wedding of the Season
02 Scandal of the Year
Trivia:
Die Gastgeber des Sommerevents, dem Beatrix und Will beiwohnen, sind übrigens der Verleger Marlowe und seine Frau Emma, die man bereits aus Guhrkes »And then he kissed her« (Girl’s Bachelors 1) kennt.
Puh, ich hoffe wirklich, die älteren Bücher von Frau Guhrke sind besser, denn ich hab zwei auf meinem SuB liegen…
Na, das macht mir ja Lust meinen aktuellen Liebesroman weiterzulesen. ;)
Hört sich ja nicht so gut an. Bis jetzt habe ich von Guhrke noch nichts gelesen weil ich bei historical romances immer ein bisschen zögerlich bin.
Aber, aber … Ich hatte das Buch doch bei mir auf der Wunschliste stehen. Schade! Jetzt warte ich lieber deine nächste Rezi ab.
Bezüglich der ABC-Challenge: Falls Shiku dir noch nicht bescheid gesagt hat, du „darfst“ Bleeding Violet bei dir mitzählen. Wir haben es so gemacht, dass man ein abgebrochenes Buch nur führen kann, wenn man es mit einem vernünftigen Grund in eine Art Rezension schreibt und mindestens bis zur Hälfte gelesen hat.
(Gut, bei dir war strenggenommen – glaube ich – nicht genau die Hälfte des Buchs, Shiku und ich waren uns einig :))
Ich stimme dir, was den Guhrke angeht, mal ganz frech zu und ehrlich gesagt, reizt mich trotz meiner schlechten Meinung zum ersten Band doch die Geschichte des zweiten, da ich Julie wirklich mochte. Sie ist einfach einmal anders. Hoffentlich nutzt die Autorin dieses Mal dann eher das Potential und bauscht nicht alles künstlich auf. Vorallem hoffe ich, dass die Charaktere etwas mehr Farbe und Emotion bekommen und nicht so flach und notgedrungen wirken. ;)
Evi: Wenn die älteren Bücher nicht besser wären, wär LLG ja nicht auf meiner Autobuy-Liste! ;) Ernsthaft: Dieses Buch war das schlechteste Buch der Autorin, das ich kenne. Ich hab aber nicht die gesamte Backlist gelesen.
Winterkatze: Wie du ja weißt, hab ich »Secret Desires of a Gentleman« 15 Punkte gegeben! Nur Mut! *gg*
Sabrina: Falls du Guhrke mal versuchen willst, solltest du keinesfalls mit diesem Buch starten. Ein guter Einstieg wäre evtl. »And Then He Kissed Her«.
Kris: Eine wirklich begeisterte Besprechung hab ich zu dem Buch noch nicht gesehen. Allerdings hab ich außer Animasoul auch niemand gefunden, der das Buch so schlecht wie ich bewertet hat; die Bewertungen befinden sich eher so im Mittelmaß.
Animasoul: Ich hatte Band 2 ja direkt vorbestellt, insofern werd ich ihn trotz meiner Enttäuschung lesen. Und die Konstellation Aiden/Julie stell ich mir auch ziemlich spannend vor, zumal Julie wirklich eine sehr faszinierende Figur ist. Allerdings wurde Band 2 nicht besser bewertet als Band 1: Janet bei Dear Author schreibt zum Beispiel, dass sie die Geschichte zwar besser fand, der Gesamteindruck aber trotzdem ein B- bleibt.
Pia: Super, vielen Dank! :)
„And Then He Kissed Her“ hab ich über BM ergattern können, ist aber noch nicht eingelangt. Außerdem hab ich hier „His Every Kiss“, auch über BM.
»His Every Kiss« ist auch ein schönes Buch, allerdings kein ganz herausragendes. Im Gegensatz zu »And Then He Kissed Her« – das war mein erster Guhrke und ich hab ihm direkt 15 Punkte verpasst (aber leider keine Rezension geschrieben).
»And Then He Kissed Her« ist übrigens das einzige Buch, das von Gurhke auf Deutsch erschienen ist: als Cora Historical Gold unter dem überaus mitreißenden Titel »Ich muss Sie küssen, Miss Dove«. *dramatisch augenroll* Das Buch ist offenbar ziemlich gefloppt, weshalb sich der Verlag entschieden hat, die Serie erst mal nicht weiter zu übersetzen. Ich hab mich gefragt, ob das wohl mit der Übersetzung zusammenhängt oder einfach damit, dass Guhrke (wie schon mehrfach betont) eben einfach nicht jedermanns Sache ist mit ihren manchmal etwas merkwürdigen Helden.
Ah, nachdem ich deine Rezi jetzt (nochmal) gelesen habe, weiß ich wieder, warum „His Every Kiss“ damals auf meiner Wunschliste gelandet ist. Genau solche Kerle faszinieren mich ja. In Büchern. ;-)
Echt, nur ein einziges Buch von LLG ist bisher auf deutsch erschienen? Die hat aber doch schon recht viel geschrieben…