Originaltitel: The Picture of Dorian Gray
Gruselkabinett, Teil 36/37
Inhalt:
London in den 1890er Jahren: Basil Hallward, ein talentierter Maler, verliebt sich in den jungen Dorian Gray und will seine faszinierende Jugend und Schönheit in einem Portrait festhalten. Dorian, durch den Anblick seiner selbst hingerissen, äußert den kühnen Wunsch, dass er nie altern, sondern das Bild dieses Schicksal auf sich nehmen solle. Dafür wäre er sogar bereit, seine Seele zu opfern…
Verführt durch den charismatischen Lord Henry Wotton, gibt sich Dorian Gray schließlich ganz den sinnlichen Gelüsten eines zügellosen Lebens hin und verfällt in einen Strudel der Leidenschaften. Doch weder die Zeit noch die Exzesse zeigen Spuren auf seinem jugendlichen Antlitz. Einzig sein Portrait verändert sich auf eigentümliche Weise…
Kommentar:
Titania legt mit Oscar Wildes »Das Bildnis des Dorian Gray« einmal mehr eine Adaption mit Top-Sprechern vor, die dem Klassiker der Weltliteratur alles in allem durchaus gerecht wird und die sich recht eng an der Vorlage hält. Das heißt aber gleichzeitig, dass man es hier mitnichten mit einem schaurigen Gruselstoff zu tun hat, sondern mit einer Moralkritik gegen übertriebenen Ästhetizismus und Hedonismus. Entsprechend anstrengend sind die ausufernden theoretischen Dialoge, angereichert mit all den mehr oder weniger geistreichen Sinnsprüchen zu Schönheit, Moral und dem Leben an sich. Nicht falsch verstehen, ich liebe Oscar Wildes Aphorismen und hab ein ganzes Buch damit, aber in heutigen Zeiten wirken sie im Kontext des Romans weniger originell als bemüht und überzogen – zumindest in dieser Intensität. Zunächst machen die Ausführungen noch Spaß, doch mit der Zeit kommt stellenweise doch arge Langeweile auf, zumal sonst sehr, sehr wenig passiert.
Wer den Roman kennt, weiß natürlich von vornherein sehr genau, worauf er sich einlässt. Wer hingegen einen Gruselstoff erwartet – was ja irgendwie nicht zu verdenken wäre beim Kauf eines Gruselkabinett-Hörspiels –, der dürfte bitter enttäuscht werden. Man versucht zwar zum Teil, dem ungruseligen Stoff ein wenig entgegenzuwirken, indem man Lord Henry stellenweise recht teuflische Züge gibt (weit teuflischer, als ich ihn beim Lesen des Buchs empfunden habe) und sich in den Szenen mit dem Portrait um eine schaurige Stimmung bemüht. Das reicht aber noch lange nicht, um aus »Das Bildnis des Dorian Gray« ein Gruselhörspiel zu machen!
Ich habe keine Ahnung, was Titania bewegt, Stoffe wie diesen in ihr Gruselkabinett aufzunehmen, die da thematisch einfach nichts zu suchen haben; das dürfte im Wesentlich zu enttäuschten Erwartungen und entsprechenden Kritiken führen – wie es ja zuvor auch schon bei »Der Glöckner von Notre Dame« der Fall war. Ich bin gespannt auf die ausstehende Adaption von Austens »Northanger Abbey«, ein Buch, das ja außer ein Liebesroman wenigstens eine Satire auf den Schauerroman der damaligen Zeit ist.
Fazit:
Als werksgetreue Literaturadaption ziemlich gut gelungen, letztendlich aber ein ganz schön anstrengender und fürs Gruselkabinett ein vollkommen deplatzierter Stoff.
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