Originaltitel: Can You Keep a Secret?
Inhalt:
Emma Corrigan scheint vom Pech verfolgt. Alles in ihrem Leben geht schief, und jetzt auch noch das: Sie sitzt in einem von Turbulenzen geschüttelten Flugzeug und sieht ihr letztes Stündlein gekommen. In Panik legt Emma eine dramatische Lebensbeichte ab: Jedes Geheimnis, jede jemals geäußerte Lüge bricht aus ihr heraus. Zu dumm, dass sich Emmas Sitznachbar ausgerechnet als ihr oberster – und zudem äußerst attraktiver – Chef entpuppt …
Kommentar:
Nachdem meine Begeisterung für Sophie Kinsella nach »Göttin in Gummistiefeln« durch »Charleston Girl« einen kleinen Dämpfer bekommen hat, hat es eine Weile gedauert, bis ich zu einem weiteren Buch der Autorin gegriffen habe. Jetzt war es aber so weit – und was soll ich sagen: Ich hab viel zu lange gewartet!
Emma Corrigan ist eine ziemlich unbedeutende Marketing-Assistentin mit dem Traum, Marketing Exekutive zu werden. Blöderweise geht der erste Geschäftstermin, zu dem sie allein geschickt wird, total in die Hose, und auf dem Rückflug gerät das Flugzeug auch noch in heftige Turbulenzen. Emma, die sich nach dem desaströsen Meeting in der Flughafenbar ordentlich die Kante gegeben hat, wähnt sich dem Tode nahe und verliert vollkommen den Kopf – weshalb sie ihrem Sitznachbarn so ziemlich alles offenbart, was man besser für sich behält. Ein bisschen peinlich ist ihr das hinterher schon, aber da sie den Mann nie wiedersehen wird, wie sie glaubt, ist es auch kein Beinbruch. Dumm nur, dass sich der Fremde aus dem Flugzeug als ihr oberster Chef Jack Harper herausstellt, der die letzten Jahre zurückgezogen in den USA gelebt hat und nun nach London kommt, um seine Firma zu inspizieren. Wider Erwarten schmeißt er sie aber nicht raus, obwohl sie ihm doch gestanden hat, dass sie bei der Bewerbung geschummelt hat, sondern interessiert sich sehr für sie, obwohl er doch all ihre kleinen Lügen, Geheimnisse und Marotten kennt …
»Sag’s nicht weiter, Liebling« ist ein wundervolles Buch mit einer etwas chaotischen, aber liebenswerten Heldin. Emma nähert sich zwar hin und wieder in rasantem Tempo meiner persönlichen Fremdschämgrenze, aber obwohl ihr Verhalten teilweise überzeichnet ist, wirkt sie alles in allem ziemlich authentisch. Sie lebt mit zwei Mädels in einer WG und plündert schon mal heimlich den Kleiderschrank einer ihrer Mitbewohnerinnen, wenn Not an Designerklamotten herrscht. Beruflich hat sie nicht das erreicht, was sie möchte und was ihre Eltern von ihr erwarten, doch das ist nur ein Teil ihrer Probleme mit ihrer Familie. Zudem steckt Emma in einer langweiligen Beziehung mit ihrem hyperkorrekten Kollegen Connor fest und muss sich so langsam mal entscheiden, was sie will, denn ihr Freund will Ernst machen und mit ihr zusammenziehen.
Als Jack Harper in ihr Leben tritt und sich für Emma zu interessieren beginnt, ist klar, dass Connor verloren hat. Dabei hat auch Jack so seine Macken – er verhält sich nämlich zum Teil geheimnisvoll bis seltsam und gibt überhaupt sehr wenig von sich preis. Trotzdem ist Jack einfach wundervoll und einer der anbetungswürdigsten Liebesromanhelden, die mir in letzter Zeit begegnet sind. Seine Reaktion auf das überraschende Wiedersehen mit Emma in seiner Firma, seine trockenen Kommentare, seine Tiefgründigkeit und sein Beschützerinstinkt sind hinreißend – ich war wirklich hin und weg von ihm. Zumindest bis zu seinem Fernsehauftritt, bei dem es mit ihm durchgeht, und der eher weniger sympathisch, aber natürlich ein hervorragender Konfliktauslöser ist. Vor allem wegen Jacks Verschlossenheit dauert es eine Weile, bis die Krise aus der Welt geschafft und dem Happy-End nichts mehr im Weg steht, doch das macht die Geschichte etwas weniger zuckersüß als andere Liebesromane. Allerdings war das Hin und Her am Ende einen Tick zu dick aufgetragen.
Das Buch punktet aber nicht nur mit tollen Protagonisten, sondern auch mit den Nebenfiguren – und sind ihre Rollen noch so klein. Ob Emmas ätzende Kollegin, ihr dröger Freund, der sexy Barkeeper der Firma, ihre grundverschiedenen Mitbewohnerinnen, die Freundin mit dem Häkeltick oder ihre durchtriebene Cousine, sie alle bleiben einem im Gedächtnis, weil sie so lebendig sind mit all ihren Spleens.
Fast schon überflüssig zu erwähnen, dass das Buch mit einem wunderbaren Humor überzeugt – dafür steht Kinsella schließlich, und sie beweist ihr Können auch hier wieder. Emmas trockene Bemerkungen, Gedanken und Vergleiche sind einfach grandios und oft so treffend, dass sich manch ein metaphernbemühter Autor eine dicke, dicke Scheibe abschneiden könnte. Unvergleichlich zum Beispiel die Szene, in der Emma von ihrem Chef Paul zum Beurteilungsgespräch gerufen wird (S. 89):
Plötzlich fallen mir Kerry [Emmas Cousine] und ihr Ich-bin-eine-erfolgreiche-Frau-Gang ein. Ich weiß, dass Kerry eine ekelhafte Ziege ist, aber sie hat ein eigenes Reisebüro und verdient Unmengen von Geld. Irgendwas muss sie wohl richtig machen. Vielleicht sollte ich es einfach mal versuchen. Ich drücke die Brust heraus, hebe das Kinn an und schreite mit entschlossenem, wachsamen Gesichtsausdruck durchs Büro.
»Haben Sie Regelschmerzen oder so?«, fragt Paul grob, als ich an seiner Tür bin.
»Nein«, sage ich schockiert.
»Sie sehen so komisch aus.«
Und wenn man möchte, kann man bei allem Humor sogar eine Moral aus der Geschichte ziehen und sich mit der Frage auseinandersetzen, ob die vielen kleinen Alltagslügen zur Beschönigung der Realität eigentlich notwendig sind, um gemocht bzw. geliebt zu werden, und ob die Leute, die einen nur wegen des schönen Scheins akzeptieren, es überhaupt wert sind, sich über ihre Meinung Gedanken zu machen. Wie sagt Jack Harper doch zu Emma: »Dein Leben ist zerstört? Ist das so schlimm, wenn die Leute die Wahrheit über dich wissen?« (S. 318)
Fazit:
14/15 – Ein wunderbarer Roman, der mit Situationskomik und tollen Figuren punktet. Einfach Unterhaltung par excellence.
Weitere Rezensionen von mir zu Büchern von Sophie Kinsella:
Göttin in Gummistiefeln
Charleston Girl
Ich LIEBE Sophie Kinsella! Ich lache mich jedes Mal halb schlapp, wenn ich eines ihrer Bücher lese. Besonders ihr Becky „Bex“ Bloomwood-Reihe liebe.
Bei ihren anderen Büchern komme ich ein wenig ins Schwimmen, welche ich schon gelesen habe oder nicht, aber die sind auch nicht weniger amüsant!
Das Buch fand ich auch sehr unterhaltsam! Allerdings hat die Autorin meine Fremdschamgrenze mit Emmas Verhalten so manches Mal überschritten. Schadet aber nicht, der Roman war trotzdem lustig! :)
Hach ja, ich liebe dieses Buch. Und da wollte ich dir grad noch „Im Wahrheit wird viel mehr gelogen“ empfehlen, da sehe ich, dass du es nun schon liest. Dann bin ich da auch mal auf deine Meinung gespannt.
Ohohoh. Ich fands GANZ schlecht (habs sogar abgebrochen)!
Dafür mochte ich die Göttin in Gummistiefeln sehr (war mein erstes Kinsellabuch). Jetzt bin ich gespannt, wie du „In Wahrheit“ findest – das fan dich nämlich auch unterirdisch ;)
Ich liebe dieses Buch, es bringt mich immer wieder zum Lachen und ich mag die Heldin sehr.
Auf Sophie Kinsella konnte ich mich bis jetzt fast immer verlassen, hoffentlich bleibt das auch so.
Na endlich! Sag’s nicht weiter, Liebling ist ja mein absoluter Lieblingsroman von Kinsella :)
Diese Art von Buch spricht mich überhaupt nicht an, und im Präsens geschriebene Bücher gehen sowieso gar nicht (für mich) – aber eins frage ich mich jetzt doch: wieso haben die in ihrer Firma einen Barkeeper? Und wieso gibt es den bei mir auf der Arbeit nicht??
Janine: Die Becky-Bloomwood-Reihe hab ich noch nicht gelesen, die ersten zwei Bände stehen aber hier im Regal (die hab ich mal auf nem Flohmarkt mitgenommen). Übrigens herzlich willkommen hier! :)
Maren: Find ich ehrlich gesagt erstaunlich, dass du die »Göttin in Gummistiefeln« so mochtest und »Sag’s nicht weiter, Liebling« so schlecht fandst. Ich hab die beiden Bücher als sehr ähnlich empfunden!
Lisa: Ja ja ja! Wurde Zeit, ich weiß! *lach*
Susi: Die Frage ist berechtigt, vielleicht reichste mal Beschwerde beim Betriebsrat ein und beantragst einen Barkeeper? *gg* Magst du gar keine ChickLit? Das mit dem Präsens kann ich nachvollziehen, ich hasse das auch. Allerdings blende ich das aus und les mir die einfach unbewusst ins Präteritum. (Getreu meinem Motto: Ich les mir die Welt, wie sie mir gefällt!)
Hi Irina, „Ich les mir die Welt, wie sie mir gefällt“ ist schon mal ein super Motto :-D
Doch, an sich mag ich Chick Lit schon. Aber es nervt mich furchtbar, wenn die Heldin ständig der ganzen Welt Lügengeschichten erzählt, oder sich übertrieben dumm anstellt und krampfhaft versucht, cool zu sein. Ich habe mal den Fehler begangen, ein Catherine Alliott-Buch zu lesen. Das hat mich wahnsinnig aggressiv gemacht, weil die Heldin ständig nur gelogen hat und strohdumm war. Catherine Alliott-Bücher sollten überhaupt nur zusammen mit einer Klinikpackung Valium verkauft werden, aber das nur nebenbei. Das Kinsella-Buch geht deiner Beschreibung nach in die Richtung, aber ich kann’s natürlich nicht wirklich beurteilen.
Emma ist keine notorische Lügnerin und Hochstaplerin – wenn das so rüberkommt, hab ich wohl nen falschen Eindruck vermittelt. Hier gehts im Wesentlichen um so kleine Alltagslügen, wie sie eigentlich jeder täglich von sich gibt. Den Leuten z.B. nicht zu sagen, dass man ihr Geschenk scheußlich findet, wie viel man genau wiegt oder dass man noch mit Barbieschlafanzug schläft!
Catherine Alliott kenn ich nicht … scheint ja kein Verlust zu sein! *g*
Das war ja mein erster (und bisher auch einziger) Kinsella, und hat mich damals sehr überrascht, denn ich hab mich damit köstlich amüsiert. Die von dir empfohlene „Göttin in Gummistiefeln“ hab ich ja inzwischen auch schön längere Zeit am SuB, und noch eins, aber irgendwie komm ich nie dazu…
@Susi: TSTL-Chicks halt ich auch überhaupt nicht aus – Emma würde ich da keinesfalls einreihen. Und ich fand auch den Fremdschäm-Faktor hier nicht übermäßig groß. Du solltest es mal versuchen, mir hat’s wirklich Spaß gemacht. Und das soll was heißen. ;-)
Irina und Evi, ich glaube euch ;-) Und wenn das wirklich nur so kleine Notlügen sind, ist das ja auch gar kein Problem. Aber solange Frau Kinsella ausschließlich im Präsens schreibt, kann ich mich nicht mit ihren Büchern anfreunden, auch wenn’s schade ist!
Bei mir steht und fällt vieles mit den Protagonisten, und die aus „Sags nicht weiter“ fand ich selbst für Chick-Lit Verhältnisse einfach nur unerträglich hohl.
Susi, ich versteh das mit dem Präsens, mich stört das auch. Ich les mir das aber wirklich unbewusst ins Präteritum!
Evi: Lies die Göttin mal, die wird dir bestimmt gefallen! :)
Maren: Komisch, hab ich nicht so empfunden. Aber manchmal isses ja einfach auch eine Frage der Stimmung.