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[Rezension] Patricia Cabot: Lehrstunden einer Lady

Originaltitel: Educating Caroline

Inhalt:
London, 1870. Lady Caroline Linford ist entsetzt, als sie ihren Verlobten in flagranti erwischt. Doch anstatt die Verlobung zu lösen – was eine Schande für die Familie wäre – möchte Caroline das Herz des untreuen Marquis für sich erobern. Sie will ihm ganz und gar den Kopf verdrehen, ist aber auf dem Gebiet der Liebe noch völlig unerfahren. Was läge da näher, als Unterricht in der Liebeskunst zu nehmen? Caroline sucht sich Londons berüchtigtsten Lebemann aus, dem man nachsagt, einer der besten Liebhaber zu sein – und schon bald beginnen die Grenzen des Lehrer-Schüler-Verhältnisses zu verschwimmen …

Kommentar:
»Lehrstunden einer Lady« war einer meiner allerersten historischen Liebesromane – und derjenige, der mich restlos für dieses Genre eingenommen hat. Der Plot ist nur einer unter vielen Love-Lesson-Plots und nicht wirklich sensationell – die Umsetzung allerdings schon. Ich kann mich nicht erinnern, jemals so viel Spaß mit einem Liebesroman gehabt zu haben und beim Lesen so viel gelacht zu haben. Patricia Cabot (übrigens ein Pseudonym von Meg Cabot, unter dem sie acht historischen Liebesromane veröffentlicht hat) übertreibt und überspitzt die Dinge maßlos, schafft dabei aber so liebenswerte, lebendige Figuren und legt einen so wunderbaren Humor und so viel Situationskomik an den Tag, dass das überhaupt nichts ausmacht.

Vor allem Caroline ist einfach total hinreißend. Trotz ihrer fortgeschrittenen 21 Jahre ist sie ein Musterbeispiel an Naivität, zumindest, was Liebesdinge angeht. Sie hat nicht die geringste Ahnung von sexuellen Angelegenheiten und offenbart ihre grenzenlose Unbedarftheit schon in der ersten Szene, als sie die schockierenden Frivolitäten zwischen ihrem Verlobten Hurst und ihrer ehemaligen Schulkameradin Lady Jacquelyn mit fassungslosem Staunen beobachtet:

Sie wünschte beinahe, sie wäre ohnmächtig geworden, denn dann wäre ihr der Anblick erspart geblieben, wie Lady Jac ihren Finger in Hursts Mund schob.
Also wirklich, wunderte sich Caroline, warum tut sie das? Fanden Männer Gefallen daran, wenn eine Frau ihnen einen Finger in den Mund steckte?
Offensichtlich war es so, da der Marquis sofort anfing, geräuschvoll daran zu saugen.
Warum hatte das ihr gegenüber nie jemand erwähnt? Wenn der Marquis sich gewünscht hätte, dass Caroline ihren Finger in seinen Mund schob, hätte sie es bestimmt getan, wenn es ihn glücklich machte. Wirklich, es war völlig unnötig, sich wegen einer solchen Bagatelle an Lady Jac zu wenden, mit der er kaum bekannt war, geschweige denn verlobt. (S. 13)

Obwohl ihre sexuelle Naivität bis ins Unglaubwürdige gesteigert ist, ist die Figur einfach wundervoll. Caroline ist warmherzig, mitfühlend, vorurteilsfrei, loyal und zuverlässig. Darüber hinaus hat sie durchaus einen Sinn fürs Praktische und versucht, dem Leben stets mit Optimismus zu begegnen. Ihre Schulbildung findet sie beispielsweise insofern nützlich, als dass sie jetzt in fünf verschiedenen Sprachen sagen kann »Hören Sie bitte auf, ihr Pferd zu schlagen«, und nach der Entdeckung ihres Verlobten mit Lady Jacquelyn gilt ihre Sorge zunächst dem am wenigsten aufwendigen Weg, die Hochzeitsgäste wieder auszuladen. Sie befindet außerdem, dass es hätte schlimmer kommen könnte: »Sie wusste zwar nicht inwiefern, aber sie nahm es einfach an.« (S. 19)

Braden Granville, früher »Dead Eye« genannt, ist das genaue Gegenteil von Caroline. Der Emporkömmling, der – aus ärmlichsten Verhältnissen stammend – ein Vermögen mit Schusswaffen gemacht hat und als Meisterschütze gilt, hat schon alles gesehen und erlebt. Nach wie vor umgibt er sich mit einer ziemlich illustren Gesellschaft, darunter sein mehr oder weniger hilfreicher Sekretär Ronnie »Wiesel« Ambrose, ein alter Freund aus Seven Dials, und sein Vater Sylvester, der seit dem Tod seiner Frau geistig verwirrt ist. Man sagt Braden geschäftlich wie privat eine erschreckende Skrupellosigkeit nach, außerdem gilt er als Casanova, der mit mehr Frauen geschlafen haben soll als jeder andere Mann in London. Ihn kann kaum etwas überraschen – abgesehen von Caroline, die ihn nicht nur mit ihrem Wunsch nach Lehrstunden und einer kleinen Erpressung überrascht, sondern ihn vor allem mit ihrer unsagbaren Naivität immer wieder in große Fassungslosigkeit stürzt. Er versucht, seine Nachhilfe dementsprechend zu gestalten und über harmlose Dinge wie romantische Atmosphäre zu sprechen, doch die wissbegierige Caroline – bewaffnet mit Brille, Notizbuch und Stift – will sich damit nicht zufrieden geben.

»Könnten wir die Diskussion über die richtige Atmosphäre, so faszinierend ich sie auch finde, vielleicht auf einen späteren Zeitpunkt verschieben und direkt zum Küssen kommen? (…) Es ist eine bestimmte Art von Kuss, über die ich reden möchte, eine, die ich zufällig beobachten konnte. Ich meine die Art Kuss, bei der sich die beteiligten Personen die Zungen in den Mund stecken.«
Er starrte bei ihren Worten unwillkürlich auf ihren Mund. Es war ein sehr hübscher Mund, rosig und sehr verführerisch. Nur mühsam riss er seinen Blick davon los. »Das haben Sie beobachtet.«
Sie nickte heftig. »Oh ja. So etwas gibt es. Ich habe es selbst gesehen!«
Er fragte sich, ob er jemals, selbst in seiner Kindhetit, so lachhaft unschuldig gewesen war, und kam zu dem Schluss, dass es wenig wahrscheinlich schien.
Braden räusperte sich. »Ja. Nun, die Art Kuss, die Sie beschrieben haben, ist ziemlich …«
»Unappetitlich«, beendete sie mit einem wissenden Blick den Satz für ihn.

Da Worte nicht helfen, Carolines Vorurteilen zu begegnen, kann Braden überhaupt nicht anders, als praktische Überzeugungsarbeit zu leisten – und das fällt ihm natürlich nicht schwer, denn so verrückt Caroline ist, so liebenswert findet er sie von dem Moment an, als sie mit ihrem sonderbaren Vorschlag in seinem Büro aufkreuzt. Ihm ist schnell klar, dass sie zusammengehören, und er tut alles dafür, sie für sich zu gewinnen, ohne dabei seine Ehre zu vergessen.

In krassem Gegensatz zu den beiden Protagonisten stehen deren jeweiligte Verlobte, Jacquelyn und Hurst. Die beiden sind wenig subtil und zeichnen sich vor allem durch ihren Mangel an Loyalität, ihre Durchtriebenheit und Berechnung aus: Beide heiraten nur aus finanziellen Gründen und tun alles dafür, um ihr Ziel zu erreichen. Der Marquis punktet mit seinem engelsgleichen, allerdings völlig unmännlichen Aussehen, ist aber ein ziemlicher Hohlkopf. Ein Satz, vom allwissenden Erzähler ganz beiläufig hingeworfen, belegt das eindrucksvoll und mit dem typischen Humor des Buches: »Hurst, der nicht daran gewöhnt war, Inspirationen welcher Art auch immer zu haben, war (…) beeindruckt von sich selbst und seinem neu entdeckten Scharfsinn« (S. 287). Was ihm an Bösartigkeit fehlt, macht Lady Jacquelyn locker wieder wett: Hinter ihrer schönen Fassade steckt ein Mensch, der mit allen Mitteln für die Erreichung seines Ziels kämpft.

Doch nicht nur die beiden, sondern selbst die kleinsten Nebenfiguren sind hervorragend gelungen: Neben Granvilles fragwürdiger Umgebung sind hier vor allem Carolines entsetzlich prüde Mutter zu nennen, der Bruder, der ungewollt in kriminelle Machenschaften hineingeraten ist und einen (relativ überflüssigen) Nebenplot erhält, sowie Carolines eigentlich fortschrittliche Freundin Emily, die sich so engagiert für die Frauenbewegung einsetzt, dass Caroline sie immer wieder aus dem Gefängnis auslösen muss, die aber in Liebesdingen ebenso unbedarft ist wie die Protagonistin selbst.

Fazit:
15/15 – Dieser Liebesromane ist ein echtes Juwel – vorausgesetzt, man nimmt ihn nicht allzu ernst und liegt auf Cabots Humor-Wellenlänge. Das Buch besticht nämlich weniger mit seiner (mäßig originellen) Handlung, sondern viel mehr mit den wunderbaren, charmanten und amüsanten Protagonisten, und sprüht nur so vor Witz und Situationskomik.

14 Kommentare zu [Rezension] Patricia Cabot: Lehrstunden einer Lady

  • Ha!!! Ich bin vollkommen deiner Meinung! Ich habe das Buch vor einigen Jahren gelesen und LIEBE es!!! Es war einfach wunderbar. :)

  • Oh, eine Gleichgesinnte, wie schön! *freu*

    Hast du ihre anderen Büchern auch gelesen? Ich hab mir sofort alle auf deutsch verfügbaren Bücher gekauft (und auch gelesen!) und später dann die englische Backlist. So hab ich übrigens auch Susi kennengelernt, die ihre Ausgabe von »Educating Caroline« über ihren Bücherbasar an mich losgeworden ist.

  • Ich habe auf jeden Fall noch ein anderes gelesen…wo die weibliche Hauptfigur als Nanny eingestellt wird, oder so.
    „Lady of Skye“ habe ich noch nicht gelesen, hab’s aber als eBook. :)
    Ich finde ihre historischen Liebesromane echt total schön. :)

  • Camie

    Jetzt wo ich das Cover wieder gesehen habe, kam auch die Erinnerung an das Buch zurück, welches ich auch vor einigen Jahren gelesen habe.
    Mir hat es allerdings gar nicht gefallen. Es ist auch mein einziges Buch von Patricia Cabot geblieben.

  • Anna-Lisa: Das müsste »Verbotenes Glück« gewesen sein. Die Anfangsszene mit dem Schirm ist mir unvergessen! *kicher*

    Camie: Ich glaub, bei Cabot gibts nicht viel zwischen Begeisterung und Ablehnung – wie so oft bei Büchern, die in erster Linie auf Humor setzen. Der Witz muss halt zünden; ist das nicht der Fall, macht sich m.E. Langeweile oder sogar Genervtheit breit.

  • Ja! Genau das war es auch!! :))

  • Liste!!! :D Einfach im Vertrauen darauf, dass der Humor bei mir auch weiterhin funktioniert, wenn ich mehr Szenen mit Caroline lese … *g*

  • Soleil

    Oh wie schön, ich habe das Buch auch hier irgendwo rumstehen! Sollte ich dann mal suchen gehen ;)

  • Vielleicht sollte ich auch mal einen ihrer historischen Liebesromane lesen ;)

  • Schon drauf auf der Liste, Winterkatze!

    Unbedingt, Stephie! Einen Versuch isses doch zumindest wert! :)

    Soleil: Ich glaub, über das Buch hatten wir es vor Ewigkeiten schon mal, und ich hab damals schon so geschwärmt, dass du’s mal vom SuB holen wolltest! ;)

  • Habe mir das Buch heute bestellt, nachdem ich deine Rezension gelesen habe.
    Klingt wirklich gut! Nur das Cover gefällt mir überhaupt nicht… Mal sehen wie mir der Inhalt gefällt :)

  • Das Cover ist in der Tat ätzend – aber die englische Ausgabe ist vergriffen, nicht?

    Ich hoffe sehr, dass dir das Buch auch gefällt, »Lehrstunden einer Lady« ist eines der wenigen Bücher, bei denen mir sehr am Herzen liegt, dass es anderen ebenso gut gefällt wie mir! :)

  • Ich habe ehrlich gesagt gar nicht nach der englischen Version gesehen..
    Wenn ich dann mit dem Buch durch bin, berichte ich wie es mir gefallen hat. Obwohl nach deiner Rezension kann das Buch ja nur gut sein :)

  • Ich bin gespannt! :)

    Und ich fürchte, dass das Buch definitiv nicht jedermanns Sache ist: Ich kenn diverse Leute, die den Humor gar nicht mochten, und dann funktioniert der Roman auch überhaupt nicht.

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